
Eklat im russischen TV: Ehemaliger Oberst kritisiert Krieg in der Ukraine
Nein, so war das nicht geplant: Im russischen Staatsfernsehen, ausgerechnet zur besten Sendezeit, kritisiert ein ehemaliger Oberst offen die Invasion in die Ukraine. Wohlgemerkt: In einer der meistgesehenen Talkshows des Landes. Sogar die Führung im Kreml wird von ihm nicht verschont.
Damit hatten die Moderatorin und die anwesenden Gäste nicht gerechnet. Der ehemalige Oberst Michail Chodarenok (68) kritisierte in der Sendung offen die Invasion und die Regierung und bestritt energisch sämtliche Erfolgsmeldungen. So seien etwa Gerüchte, wonach die Moral innerhalb der ukrainischen Armee schlecht ist, schlicht „falsch“.
Es ist bereits das zweite Mal, dass ein ranghoher russischer Militär öffentlich Kritik an Russlands „Militäroperation“ übt – der eXXpress berichtete. Ex-Oberst Chodarenok, der über eine 30-jährige Kampferfahrung verfügt, erreichte mit seiner Kritik zumindest eines: Diese Sendung erregte weltweit Aufmerksamkeit, nicht nur in Russland.
Kritik an „Beruhigungsinformationen“ in russischer Öffentlichkeit
Gleich zu Beginn lässt Chodarenok aufhorchen: Die russische Öffentlichkeit solle keine „Beruhigungsinformationen“ zu sich nehmen, wenn es um den Krieg in der Ukraine gehe. Dieser gestalte sich für das Land nämlich zunehmend schwierig.
Mehrere Versuche der kremltreuen Moderatorin Olga Wladimirowna Skabejewavon, den Militärexperten aus dem Konzept zu bringen, scheiterten. So fragte sie ihn, ob denn nicht die zahlreichen ukrainischen Deserteure bezeichnend wären für die tiefe Moral innerhalb der ukrainischen Armee. Darauf Chodarenok: „Nein“. Vielmehr würden die Truppen der Ukraine alles geben, um ihre Heimat zu verteidigen.

Kreml hat Unterstützung durch Westen unterschätzt
Mehr noch: Der erfahrene Ex-Militär kritisierte sogar die Führung im Kreml, teils sogar explizit. Diese habe etwa das Ausmaß der westlichen Unterstützung für die Ukraine falsch eingeschätzt. Besonders gefährlich sei die Hilfe durch die NATO: „Man muss in naher Zukunft eine Million bewaffneter Ukrainer als Realität betrachten”, warnte er. Und: “Die Situation für uns in dieser Hinsicht wird, offen gesagt, schlechter werden.”
Auch Russlands geopolitische Lage sei verheerend, konstatierte Chodarenok: „Wir sind gewissermaßen geopolitisch komplett isoliert (…) das ist eine Situation, aus der wir uns befreien müssen.”
Chodarenok soll bereits vor Kriegsausbruch vor der hohen Kampfmoral der Ukrainer gewarnt haben.
Kommentare
Man darf gespannt sein was mit dem Mann nun passiert.
Er ist auf alle Fälle ein Held der für das Putinregime eine Gefahr darstellt.
Nur solche Leute können der russischen Bevölkerung die Augen öffnen.
Es ist zu hoffen das viele einflussreiche Russen ähnlich denken und handeln werden.
Gefahr für Putin wieso? Der denkt halt anders, das darf man in Russland. Man darf sogar anders wählen, hätten Sie nicht gedacht, wie?
@AutochToni: Vielen Dank, Sie haben eine scharfe Beobachtungsgabe.
Der Mann hat gewaltige Eier, wenn man sich so ansieht, wieviele prominente Russen in letzter Zeit Selbstmord begangen haben. Er hat übrigens schon vor Kriegsbeginn (für den Ausdruck würde ich in Russland ins Gefängnis kommen) prophezeit, daß das in die Hose gehen kann. Ich schätze, da wird gerade die militärische Führung zum Abschuß freigegeben.
Vielleicht stimmt halt auch nicht alles, was man uns erzählt. Kim Jong Un soll ja auch seinen Onkel mit einer Kanone ermorden lassen haben und ein paar Jahre später ist der in einem Kino neben ihm gesessen.
Was soll nicht stimmen?
Tatsache 1:
Der Mann hat schon vor Monaten einen Artikel veröffentlicht, in dem er vor dem Angriff auf die Ukraine warnt und führt als Grund Training und Motivation der Ukrainer und Schwächen der russischen Armee an.
Tatsache 2:
Es gingen bereits mehr als 10 Ka-52 Helikopter durch Abschuß verloren. Das ist mehr als die gesamten AH-64 Verluste in all den Jahren im Irak und in Afghanistan.
Tatsache 3: Der oben genannte Helikopter, gehört ebenso wie das Buk oder Pantsir System zur modernsten Ausrüstung der russischen Armee. Und jedes davon wurde schon in der Ukraine vernichtet.
(Soweit zur Behauptung mancher Kreml Fanboys, die Russen würden nur obsoletes Gerät einsetzen.)
Freie Diskussionsrunden – wann haben wir das im Wertewesten zum letzten Male gesehen?
Frei? Es wurden nur Russen eingeladen. Bei uns werden auch Ausländer eingeladen, die entweder mit Dolmetscher oder in gebrochenem Deutsch ihre Ansichten teilen.
Die Moderatorin war ja auch ganz klar Propagandistin und hat nicht moderiert sondern gedeutet und erklärt. Ein Moderator erklärt die Situation nicht sondern vermittelt zwischen den Gesprächspartnern.
Ganz normal in einen Diktatur !
Offenbar senden die tatsächlich ohne Zeitverzögerung und offenbar hatte man ihn ausreden lassen. In Österreich wird den Leuten das Wort abgeschnitten und in Diskussionsrunden werden sie sofort von anderen Teilnehmern oder zumindest von der Moderation “korrigiert”.
Ohne die Billigung durch Putins Nomenklatura kann ich mir den Auftritt dieses Experten nicht vorstellen. Möglicherweise will Putin damit den Anfang vom Ende seiner Militärführung einleiten um halbwegs gesichtswahrend aus dem Schlamassel herauszukommen.
Kann noch spannend werden.
Hut ab vor dem Mut des Herrn Oberst. Schwer abzuschätzen, wie das für ihn jetzt weitergeht. Wird er kalt gestellt, ignoriert oder steckt die Opposition gegen Putin vorsichtig den Kopf aus der Deckung?
Vielleicht ist es tatsächlich weniger mutig als bei uns die Impfung zu kritisieren.
Ja, fewe ist ein Held 😉
oh ja, sehr gut fewe