Die ganze Geschichte beginnt damit, dass Thomas Hale nicht einmal positiv getestet wurde. Allein der Umstand, dass er als „enger Kontakt“ eingestuft wurde, war aus Sicht der chinesischen Behörden ausreichend, um ihn zu zehn Tagen Quarantäne in einem geheimen Lager zu verdammen, das bloß als „P7“ bezeichnet wurde.

Nach seiner Entlassung aus dem Lager gab Hale Einblick in die ausgeklügelte Funktionsweise des chinesischen Null-Covid-Überwachungssystems: Chinas digitaler Covid-Pass ähnelt sogenannten Track-and-Trace-Programmen in anderen Ländern (Stichwort: Verfolgen und Aufspüren), nur dass der Pass verpflichtend ist – und auch funktioniert. Über Alipay oder WeChat, die beiden wichtigsten Apps des Landes, wird ein QR-Code mit den letzten Testergebnissen der jeweiligen Person verknüpft. Um irgendwo hineinzugelangen, muss der Code jedes Mal gescannt werden. So kann denn auch der Standort jeder beliebigen Person nachverfolgt werden. Grün bedeutet, dass man eintreten kann; Rot bedeutet, dass man Probleme bekommt.”

18 positive Fälle unter 26 Millionen Menschen - allesamt werden beinhart ins Covi-Lager abgeschoben

Hales Reise in den Covid-Wahnsinn begann mit einem unschuldigen Ausflug in eine Bar in Shanghai. Offenbar wurde jemand, der auch in der Bar war, positiv getestet. Über das Tracking-System wussten die Behörden sofort, dass auch Hale dort gewesen war. Der britische Journalist hatte Pech: An dem Tag, an dem er in der Bar abhängte, gab es in ganz Shanghai – einer Metropole mit 26 Millionen Einwohnern – nur 18 positive Fälle.

Kurze Zeit später bekam Hale von der zuständigen chinesischen Gesundheitsbehörde einen Anruf, dass er „mitgenommen“ werde. Daraufhin rief ein Hotelangestellter an und teilte ihm mit, dass er das Hotel nicht mehr verlassen dürfe und dass dieses wegen seiner bloßen Anwesenheit evakuiert und abgeriegelt worden sei. Schließlich kamen Männer in Schutzanzügen und führten ihn durch das gähnend leere Hotel nach draußen ab, wo er einen kleinen Bus zu bestieg, der ebenfalls von einem Mann in Schutzanzug gelenkt wurde. Im Bus waren auch andere Personen – keiner von ihnen war tatsächlich positiv getestet worden. Nach einer mehr als einstündigen Fahrt erreichten sie den Eingang des Covid-19-Lagers, wo bereits mehrere Busse vor ihnen warteten.

In den chinesischen Covid-19-Lagern sucht man in den kleinen Wohnkabinen vergeblich nach DuschenQuelle: Thomas Hale/Financial Times

Hoher Stacheldraht außen, Staub, Schmutz und kein heißes Wasser im Inneren

Während Hale mit den anderen neuen Insassen des Lagers zu den Quartieren geführt wurde, sah er, dass über den Zäunen, die das Lager umgaben, drei Reihen Stacheldraht waren. Es gab also kein Entrinnen.

Hales Quartier war eine Box, die einem Schiffscontainer ähnelte und auf Stelzen stand. Seine Tür wurde von einer Kamera überwacht. Er berichtet: „In meiner 18-Quadratmeter-Kabine befanden sich zwei Einzelbetten, ein Wasserkocher, eine Klimaanlage, ein Schreibtisch, ein Stuhl, eine Schüssel, zwei kleine Tücher, ein Stück Seife, eine ungeöffnete Bettdecke, ein kleines Kissen, eine Zahnbürste, eine Tube Zahnpasta und eine aufgerollte Matratze, die etwa so dick war wie ein Ofenhandschuh. Der Boden war mit Staub und Schmutz bedeckt. Die ganze Kabine zitterte und wackelte, wenn man herumlief. Das Fenster war vergittert. Und es weder heißes Wasser noch eine Dusche.“

Hale beschreibt auch den Tagesablauf in der Covid-Haft so:

Jeden Morgen wurde er von einem “rasenmäherähnlichen Geräusch” geweckt, als eine Industriemaschine die Fenster seiner Wohn-Kabine und die Eingangstreppe mit Desinfektionsmittel besprühte. Gegen neun Uhr morgens kamen zwei Arbeiter, um PCR-Tests durchzuführen. Ein positives Ergebnis hätte bedeutet, dass er in ein anderes – noch strengeres – Lager gekarrt worden wäre. Die Mahlzeiten wurden um acht, zwölf und 17 Uhr geliefert. Hale verfolgte eine strikte Routine in der Enge seines Quartiers: Sprachstudium, Schreiben, Bewegung, Musik, Online-Schach und Lesen – oder Amazon Prime-schauen, sei doch das Internet im Lager viel schneller gewesen als im Hotel. „Psychisch besonders belastend“ war für ihn, dass er ursprünglich für sieben Tage ins Covid-19-Lager eingewiesen worden war, letztlich waren es aber zehn.

Zwar gibt es Klo und Waschbecken, heißes Wasser gibt es aber keinesQuelle: Thomas Hale/Financial Times