Nach und nach verstärken sich die internationalen diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Krieges. Der Verhandlungserfolg durch das Getreideabkommen im Juli sei “nur der Anfang” einer positiven Dynamik, sagte UNO-Generalsekretär Guterres nach einem Treffen mit den Präsidenten der Ukraine und der Türkei, Wolodymyr Selenskyj und Recep Tayyip Erdoğan, in Lemberg.

Selenskyj fordert vollständigen Truppenabzug der Russen

Erdogan bekräftigte: “Ich glaube weiter daran, dass der Krieg irgendwann am Verhandlungstisch enden wird.” Das sähen auch Selenskyj und Guterres so, sagte Erdogan gemäß dem türkischen Präsidialpalast.

Edrogan und SelenskyjAPA/Foto von Handout/TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/AFP

Das Treffen in der West-Ukraine war für die Vereinten Nationen und die Türkei eine Möglichkeit, den Einstieg in eine Verhandlungslösung mit der Ukraine auszuloten. Selenskyj sagte, er sehe in Erdogans Besuch ein “starkes Zeichen der Unterstützung” für die Ukraine. Er schloss indes eine Friedenslösung mit Moskau aus, solange Russland seine Soldaten nicht vollständig vom ukrainischen Staatsgebiet abziehe. “Leute, die töten, vergewaltigen und unsere Städte Tag für Tag mit Marschflugkörpern angreifen, können keinen Frieden wollen”, sagte der ukrainische Präsident. “Sie müssen erst unser Staatsgebiet verlassen, dann sehen wir weiter.”

Erdogan: "Bleiben an der Seite unserer ukrainischen Freunde"

Erdogan kündigte an, die Türkei werde ihre “Anstrengungen für eine Lösung” des Konflikts fortsetzen. Die Türkei bleibe “an der Seite unserer ukrainischen Freunde”, betonte er. Der türkische Staatschef hat sich selbst im Ukraine-Konflikt eine Vermittlerrolle zugewiesen. So vermittelte seine Regierung zusammen mit der UNO im Juli die Vereinbarungen zur Wiederaufnahme des Getreideexports aus ukrainischen Häfen.

Erdogan, Selenskyj und Guterres beim Treffen in LembergAPA/Handout/TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/AFP

Warnung vor einem zweiten Tschernobyl

Erdogan und Guterres warten darüber hinaus vor einer Katastrophe im Atomkraftwerk Saporischschja. “Wir sind besorgt. Wir wollen kein weiteres Tschernobyl”, sagte Erdogan. Guterres zeigte sich “sehr besorgt” wegen der Situation in der Anlage von Saporischschja, dem größten Akw Europas. Er forderte erneut eine Entmilitarisierung des Kraftwerks. “Jede mögliche Beschädigung” der Anlage wäre “Selbstmord”, warnte er.

Russland und Ukraine beschuldigen sich gegenseitig

Der wiederholte Beschuss des AKW Saporischschja im Süden der Ukraine – für den sich die Ukraine und Russland gegenseitig verantwortlich machen – schürt seit Tagen die Furcht vor einem nuklearen Zwischenfall. Das Kraftwerk ist seit Anfang März von russischen Truppen besetzt.

Russland hatte vor dem Treffen Selenskyjs mit Erdogan und Guterres die Stationierung schwerer Waffen in der Nähe des Atomkraftwerks bestritten und betont, dort seien “nur Wachmannschaften” vor Ort. Das Verteidigungsministerium in Moskau beschuldigte seinerseits Kiew, eine “Provokation” an dem AKW während des Ukraine-Besuchs von Guterres vorzubereiten, um Moskau anschließend die “Schaffung einer menschengemachten Katastrophe” vorwerfen zu können.