Bisher konnten sich die EU-Staaten nicht auf ein Öl-Embargo einigen. Dass dabei die EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen höchst ungeschickt vorgegangen ist, sprechen mittlerweile auch Politiker offen aus. Wirtschaftsexperten hatten schon Anfang Mai gewarnt.

Russische Staatskassa profitiert von steigenden Öl-Preisen

Putin hat von den Sanktionsplänen bisher nämlich profitiert, wie er am Dienstag erstmals im Fernsehen offen zugegeben hat. Der Ölpreis ist gestiegen, und so erhöhten sich auch Russlands Einnahmen. Gleich nachdem von der Leyen die Sanktionspläne angekündigte, begann die Teuerung des Öls. Die Kommissionspräsidentin hat also das genaue Gegenteil dessen bewirkt, was eigentlich ihr Ziel war.

Das hat bereits Guntram Wolff, der Leiter der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, in der “Welt” vor zwei Wochen prognostiziert: “Heute anzukündigen, dass es in sechs oder acht Monaten ein Embargo geben wird, schafft eine paradoxe Situation”, erklärte Wolff. Es signalisiere nämlich allen “jetzt so viel Öl wie möglich zu kaufen und bereit zu sein, dafür einen hohen Preis zu zahlen.” Der “Erfolg”: “Die kommenden sechs Monate klingelt die Kasse in Russland. Russland wird dadurch sehr viele Einnahmen schaffen.”

Nehammer: Ergebnisse erst nach Einigung verkünden

Nun hat auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat wegen des Streits um das Öl-Embargo die EU-Kommission kritisiert. “Ich halte es grundsätzlich für angebracht, auch für die Kommission erst Ergebnisse zu verkünden, wenn Verhandlungen vollinhaltlich abgeschlossen sind. Das Gegenteil kann man auch tun, dann sieht man das Ergebnis wie jetzt in der Diskussion”, erklärte Nehammer am Dienstag bei einem Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen Petr Fiala in Prag.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) übt Kritik an EU-KommissionAPA/GEORG HOCHMUTH

“Umso schärfer, umso tiefgehender, umso weitergehender Sanktionen angedacht werden, desto wichtiger ist es, diese vorher ausreichend mit den einzelnen Mitgliedstaaten zu diskutieren, damit dann eben nicht nach außen der Eindruck eines Dissens entsteht”, sagte Nehammer. Er zeigte dabei auch Verständnis für den ungarischen Widerstand: “Es muss klar sein, dass die Länder, die stärker abhängig sind vom russischen Erdöl auch eine Perspektive bekommen, wie sie weiterhin mit dem Rohstoff versorgt werden.” Nehammers tschechischer Amtskollege pflichtet bei und bedauerte, “dass es nach außen wirkt, als seien wir nicht geeint” in der Frage der EU-Sanktionen.

Putin: "Europa begeht wirtschaftlichen Selbstmord"

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die europäische Energiepolitik unterdessen als ”wirtschaftlichen Selbstmord” bezeichnet: “Der Verzicht auf russische Energieressourcen bedeutet, dass Europa systematisch, für eine langfristige Perspektive die Region mit den höchsten Energiekosten in der Welt wird”, erklärte er am Dienstag bei einer Sitzung zur Entwicklung der Öl-Wirtschaft.

Europa verliert an Konkurrenzfähigkeit, behauptet PutinAPA/AFP/Sputnik/Sergei GUNEYEV

Putin zufolge schmälerten die hohen Energiepreise auch die Konkurrenzfähigkeit der Industrie in der EU. Schon jetzt verliere Europa im Vergleich zur Konkurrenzfähigkeit anderer Regionen, so Putin. Dieser Prozess werde sich beschleunigen. Er meinte, Europa ignoriere den Schaden für die eigene Wirtschaft. Dabei sei klar, dass einzelne Länder eine so hohe Abhängigkeit etwa von russischem Öl hätten, dass sie nicht dauerhaft darauf verzichten könnten.

Russland selbst will verstärkt nach Asien umschwenken. Zurzeit gehen rund zwei Drittel der russischen Erdölexporte nach Europa. “Selbst wenn die komplett wegbrechen, kommt der russische Haushalt immer noch gut weg”, sagt Rolf Langhammer, Außenhandelsexperte beim Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) in der “Welt”. “Der hohe Weltmarktpreis von derzeit 100 Euro und andere Abnehmer wie China kompensieren teilweise die Ausfälle und es ist nicht absehbar, dass der Öl-Preis sinken wird.”