Angesichts der Asyl-Invasion in Lampedusa verschärft Österreich die Kontrollen zu Italien. Doch nun ist fraglich, ob es den Migrantenzustrom aus dem Süden überhaupt stoppen kann. Am Freitag fiel nämlich eine weitreichende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Demnach dürfen EU-Staaten Ausländer, die aus einem Nachbarland illegal (!) einreisen, an ihren Binnengrenzen nicht mehr systematisch ausweisen.

Frankreich hatte bisher illegale Migranten aus Italien abgewiesen

Den Stein ins Rollen gebracht hatten Pro-Migrations-Organisationen in Paris. Fast täglich strömen Tausende von Migranten über die Insel Lampedusa ein. Bereits im August drängte Frankreich illegale Migranten aus seinem südlichen Nachbarn systematisch zurück. Auch andere europäische Länder haben ihre Grenzen zu Italien geschlossen.

Der EuGH hält fest: Kein EU-Staat darf Migranten aus Lampedusa zurückweisen, auch nicht Österreich.Getty

Das gefiel mehreren NGOs in Frankreich nicht. Sie legten ihre Bedenken zu nächst dem oberstem Verwaltungsgericht – in Frankreich Staatsrat (Conseil d’État) genannt – vor. Dieser wandte sich daraufhin an den EuGH. Es geht darum, ob Länder, die wieder Kontrollen an den Binnengrenzen eingeführt haben, illegal einreisende Migranten systematisch ausweisen können, ohne die sogenannte europäische „Rückführungsrichtlinie“ zu berücksichtigen.

EuGH: Frankreich darf Migranten Einreise nicht mehr verweigern

Die Antwort des EuGH (Az. C-143/22) folgte umgehend und unmissverständlich: Frankreich darf Drittstaatsangehörigen an der Binnengrenze die Einreise nicht mehr verweigern. Grundsätzlich müssten illegale Migranten zwar einen Bescheid zur Ausweisung erhalten. Allerdings muss man ihnen eine gewisse Zeit einräumen, um freiwillig das Land zu verlassen. EU-Staaten dürfen illegal eingereiste Migranten aber nicht sofort abschieben.

Der EuGH mit Sitz in Luxemburg hält fest: Frankreich muss die systematische Rückweisung illegaler Migranten aus Italien beenden.Pierre HOUNSFIELD/Gamma-Rapho via Getty Images

Der EuGH wörtlich: „Die Richtlinie gilt für jeden Drittstaatsangehörigen, der in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eingereist ist, ohne die Voraussetzungen für die Einreise, den Aufenthalt oder den Aufenthalt zu erfüllen. Nach dieser Richtlinie muss grundsätzlich gegen jeden Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung ergehen. Für die freiwillige Ausreise muss dem Betroffenen jedoch grundsätzlich eine gewisse Zeit eingeräumt werden. Eine erzwungene Entfernung wird nur als letztes Mittel eingesetzt.“

NGOs jubeln: Entscheidung ist ein „Sieg“

Gemäß dem luxemburgischen Gericht kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der ohne gültigen Aufenthaltstitel abgefangen wird, eine Einreiseverweigerung erlassen werden. Doch müssten für die Abschiebung weiterhin die in der Richtlinie festgelegten Standards und Verfahren eingehalten werden.

Schon im August hatten „Ärzte ohne Grenzen“ berichtet, dass an der italienisch-französischen Grenze immer wieder Personen von französischen Strafverfolgungsbehörden zwangsweise abgeschoben würden. Dies geschehe mit Brutalität, unmenschlichen Bedingungen und ungerechtfertigten Inhaftierungen einher.

Laure Palun, Direktorin der Nationalen Vereinigung für Grenzhilfe für Ausländer (Anafé), bezeichnete die EuGH-Entscheidung als „Sieg“.

Scharfe Kritik kommt von Harald Vilimsky (FPÖ).

Vilimsky: EuGh lädt illegale Zuwanderer zur Migration innerhalb der EU ein

Scharfe Kritik äußerte EU-Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): „Die EU ist Teil des Problems der Massenzuwanderung unter Missbrauch des Asylrechts nach Europa. Das zeigt sich wieder am jüngsten EuGH-Urteil, nachdem es an EU-Binnengrenzen keine Zurückweisungen geben darf“, sagte der freiheitliche Delegationsleiter im Europaparlament.

„Der EuGH nimmt damit jedem Mitgliedsstaat die Möglichkeit, souverän darüber zu entscheiden, welche und wie viele Personen sich auf seinem Territorium aufhalten dürfen. Das ist geradezu eine Einladung zur Sekundärmigration innerhalb der EU, wie man sie angeblich vermeiden will.“

„Jeder kann nach Belieben innerhalb der EU weiterziehen“

Das EU-Asylrechtssystem sei schon längst völlig „dysfunktional“: „Jeder wird über die Außengrenze eingelassen, ganz gleich woher er kommt und durch wie viele sichere Drittstaaten er bereits gereist ist. Und jeder kann nach Belieben innerhalb der EU weiterziehen und sich damit das Land aussuchen, wo er hinwill.“

Das „völlig absurde Recht“ müsse dringend geändert werden: „Zurückweisungen an den Außen- und Binnengrenzen müssen möglich sein, sonst wird jede Art von Grenzkontrolle zum reinen Empfangskomitee für Migranten. Weitermachen wie bisher heißt: Noch mehr Massenzuwanderung in die EU.“