Der Matic-Bericht, über den am 24.Juni vom EU-Parlament abgestimmt wurde, beinhaltet unter anderem den Antrag, dass Abtreibung in den Mitgliedsstaaten als Menschenrecht angesehen werden soll. Gesundheitspersonal und Medizinern soll erschwert werden, aus Gewissensgründen Abtreibungen abzulehnen oder nicht durchführen zu wollen.

Verweigerung der Abtreibung soll als "Verweigerung medizinischer Versorgung" gelten

So soll die Gewissensklausel für Ärzte abgeschafft werden: „Eines der problematischsten Hindernisse ist die Verweigerung der medizinischen Versorgung aufgrund persönlicher Überzeugungen, bei der medizinische Fachkräfte häufig keine Abtreibungen durchführen und sich auf ihre persönlichen Überzeugungen berufen. Dadurch wird Frauen nicht nur ihr Recht auf Gesundheit und medizinische Behandlung verwehrt, sondern auch die Frage der öffentlichen Überweisungssysteme aufgeworfen.“

Ebenfalls im Matic-Bericht zu finden ist der Appell an die Gesetzgeber der einzelnen EU-Staaten: „In Zukunft sollte die Verweigerung der Durchführung einer Abtreibung  als ‚Verweigerung der medizinischen Versorgung‘ und nicht als sogenannte Verweigerung aus Gewissensgründen behandelt werden.“

Kritik von Kirche, konservativen Parteien und Ärzten

Trotz Zustimmung des EU-Parlaments hagelte es Kritik von allen Seiten. Das Salzburger Ärzteforum schrieb beispielsweise in einer Aussendung, mit der Zustimmung des EU-Parlaments zum Matic-Bericht sei ein „wohl historisch zu nennender Anschlag auf die Menschenrechte und auch auf das ethische Selbstverständnis der Ärzteschaft begangen worden.“

Der Vatikan äußerte sich ebenfalls sehr ablehnend, die Zustimmung wäre eine Stimme gegen das Leben und die Selbstbestimmung. Durch die „falsche Normalisierung“ einer Abtreibung würde man viele Frauen psychologisch ins Verderben stürzen.

Das EU-Parlament in Strasbourg stimmte für den Antragpixabay

Entschließungsantrag widerspricht geltendem Menschenrecht

Laut Ärzteforum wird durch den neuen Beschluss das Grundrecht auf Leben, auf Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit gebrochen. Auch wird kritisiert, dass gegen das Toleranzgebot gegenüber Andersdenkender verstoßen wird. Das Ärzteforum schrieb in der Aussendung außerdem, es sei zu befürchten, dass durch die Annahme des Matić-Berichtes Ärzten unter Androhung entsprechender Folgen das „Recht und die Freiheit zur Ablehnung aus Gewissensgründen“ abgesprochen werden könnte.

In Österreich, so schätzt das Salzburger Ärzteforum, werden jedes Jahr 30.000 bis 80.000 Abtreibungen durchgeführt. Dass sich diese Zahl nun deutlich erhöhen könnte, wird befürchtet.

Bischofskonferenz besorgt über „Mentalitätswechsel der EU“

Ein Sprecher der Bischofskommission der Europäischen Union Comece äußerte ebenfalls Kritik. Man sei besorgt über den Mentalitätswechsel in der EU, den das Votum für den Matic-Bericht aus Sicht von Comece anzeige. „Dahinter steckt im Tiefsten eine anthropologische Krise – die Frage, was wir unter Menschsein verstehen.“ Von ungeborenen Kindern und ihren Rechten sei im Bericht überhaupt nicht die Rede, auch das gebe zu denken.

Aktion Leben besorgt: "Menschenwürdiger Weg könnte verlassen werden"

Die Generalsekretärin des spendenfinanzierten Vereins aktion leben, der sich in der Schwangerenberatung engagiert und sich für eine kinder- und elternfreundliche Gesellschaft einsetzt, schrieb in einer Presseaussendung: „Bisher galt als Common Sense, dass bei einem Schwangerschaftsabbruch auch ein Kind involviert ist. Das erforderte Kompromisse und eine Beschäftigung mit dem Thema, die über ein Zulassen hinausgeht. Wir sind besorgt, dass dieser menschenwürdige Weg verlassen werden könnte“, so Mag. Martina Kronthaler. „Die untragbare Situation in Polen wird verabsolutiert und benützt, um Radikalpositionen in ganz Europa durchzubringen.“ Das dürfe nun nicht zu einer Infragestellung der Gewissensfreiheit der Ärzte führen.

Konservative Kräfte im EU-Parlament wollten Matic-Bericht verhindern

Die Abgeordneten der Sozialdemokraten, der Liberalen, der Grünen und der Linken stimmten nahezu geschlossen für den Matic-Antrag. Die österreichischen EU-Abgeordneten der ÖVP und FPÖ stimmten dagegen. Zwei Gegenanträge stellten konservative Fraktionen, um die Entschließung zu verhindern–ohne Erfolg. Ein alternativer Entschließungsantrag der ECR-Fraktion gemeinsam mit den Abgeordneten der ungarischen Fidesz erhielt nur 267 Stimmen, dem standen 402 Gegenstimmen gegenüber. Ein zweiter alternativer Entschließungsantrag der christdemokratischen EVP-Fraktion scheiterte mit 288 Ja-Stimmen an 373 Nein-Stimmen.