Die Staatsverschuldung in der Eurozone ist in der Corona-Pandemie weiter stark angestiegen. Nur wenige Mitgliedstaaten erfüllen noch die Maastricht-Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie die Wiener Denkfabrik Agenda Austria aufzeigt.

Allerdings schnellen die Schulden in einigen Staaten nicht erst seit der Corona-Krise in die Höhe.  Schon vor der Pandemie erfüllten viele nicht die Kriterien von Maastricht. Brisant: “Gerade in den beiden Euro-Schwergewichten Frankreich und Italien kennt die Schuldenquote seit 20 Jahren nur eine Richtung”, unterstreicht die Agenda Austria. Nicht anders sieht es in Griechenland, Portugal und Slowenien aus. “Es wird schwierig werden diese Dynamik wieder einzufangen. Damit steigt auch der politische Druck auf die Europäische Zentralbank bei der aktuellen Niedrigzinspolitik zu bleiben”, sagt Agenda Austria-Ökonom Hanno Lorenz.

Wissen nicht, wie wir die Schulden refinanzieren werden

Freilich sind es gerade die Niedrigzinsen, deretwegen manche die hohen Schulden für nicht so dramatisch halten. Hanno Lorenz sieht demgegenüber auf Dauer ein Problem für die Glaubwürdigkeit der Euro-Zone: Dieses droht schrittweise zu schwinden. “Wie wir diese Schulden in 10, 20 Jahren refinanzieren werden, wissen wir nicht”, erklärt er gegenüber dem eXXpress. Zurzeit werden Schulden laufend durch neue Schulden abgebaut.

Dass einzelne Staaten von der Erfüllung der Maastrichtkriterien so weit entfernt sind, birgt aber noch weitere Herausforderungen und Risiken. Lorenz verweist auf das Auseinanderklaffen der Euro-Zone, das man mit Hilfe der Kriterien gerade verhindern wollte. Schließlich sollte nicht jene Situation eintreten, mit der man dann vor wenigen Jahren bei Griechenland tatsächlich konfrontiert war: Dass sich ein EU-Staat nur mehr mit Hilfe anderer EU-Staaten refinanzieren kann.

Italien und Frankreich werden zum Euro-Problem

Deshalb ist es auch so brisant, dass mit Frankreich und Italien gerade zwei “Schwergewichte” hochverschuldet sind. Sollte der Markt, wie zuvor bei Griechenland, das Vertrauen auch in diese Staaten verlieren, würde das die Euro-Zone überfordern. Selbst die vergleichsweise geringverschuldeten Euro-Länder könnten nicht mehr, wie bei Griechenland, einspringen und diese refinanzieren. Das Volumen der Schulden wäre zu hoch.

Besonders wichtig wäre es daher, dass in diesen Ländern das Wirtschaftswachstum wieder anhebt. Italiens Situation ist dramatisch. “Seit 20 Jahren ist Italien real nicht gewachsen”, betont Lorenz. Wenn der Wirtschaftsmotor nicht anspringt und Italien nichts tut, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, könnte Italien und mit ihm die Euro-Zone bei höheren Zinsen in massive Probleme schlittern, weit gravierenderen als zuletzt bei Griechenland.

Österreich hatte gute Zahlen vor der Pandemie

Untypisch ist auf den ersten Blick die Situation Österreichs: Im Gegensatz zu sämtlichen anderen Euro-Staaten ist hier die Verschuldung im Jahr 2020 gemessen am Bruttosozialprodukt (BIP) gar nicht so stark gestiegen gegenüber 2010 (siehe Grafik oben). Dafür gibt es mehrere Gründe, wie Lorenz unterstreicht: “Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2010 hatte Österreich ein sehr schwaches Wachstum.” Entsprechend niedrig war auch das BIP. Das änderte sich erst mehrere Jahre später. Vor allem in den drei Jahren vor Beginn der Corona-Krise wuchs die heimische Wirtschaft sogar sehr stark. Gleichzeitig konnte Österreich in den Jahren 2018 und 2019 einen vergleichsweise ausgeglichenen Haushalt vorweisen.

Deshalb sah es um Österreichs Schulden kurz vor Beginn der Corona-Krise wesentlich besser aus als im Jahr 2010. Das hat sich seit der Corona-Krise wieder geändert. Zu bedenken gibt Lorenz aber auch: Bei den Zahlen handelt es sich um den Anteil der Schulden am BIP. Die Grafik soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Österreichs Schulden in absoluten Zahlen seither stark gestiegen sind: 2010 betrugen sie 245 Milliarden Euro, 2020 waren es 315 Milliarden, um 70 Milliarden Euro mehr – nur halt bei gleichzeitig höheren Bruttosozialprodukt.