In der Luftfahrtbranche war es DER Paukenschlag schlechthin als Alexis von Hoensbroech (51) Ende 2021 völlig überraschend seinen Chefsessel bei Austrian Airlines verließ und ankündigte, zu neuen Ufern aufzubrechen. Der Wechsel ließ viele Airliner aus allen Wolken fallen, schließlich war und ist der Name von Hoensbroech seit 15 Jahren eng mit der Lufthansa Group, dem Mutterkonzern der AUA, verbunden. Dort machte von Hoensbroech, der einem alten Adelsegschlecht entstammt und ursprünglich promovierter Physiker ist, steil Karriere in hohen Managementpositionen im Lufthansakonzern, bevor er im Jahr 2018 das Steuer im Cockpit der Austrian übernahm und die rot-weiß-rote Fluglinie auch in der Coronakrise erfolgreich durch die Krise manövrierte.

Doch rot-weiß-rot bleibt nun nur die Flagge des Landes, für das er künftig operiert, und in das es ihn zieht: Denn für seine neue Aufgabe als CEO von Westjet verschlägt es Alexis von Hoensbroech nach Kanada (dessen Nationalflagge ironischerweise so gut wie ident mit der österreichischen ist, nur dass im weißen Mittelfeld ein rotes Ahornblatt prangt, Anm.). Und dort erwartet den “CEO in transition”, wie von Hoensbroech seinen aktuellen Status auf seinen sozialen Profilen derzeit beschreibt, in der Tat nicht nur neue Ufer, sondern auch ganz neue und große Herausforderungen.

Denn die Airline, für die sich von Hoensbroech diesmal ans Steuer setzt, hat derzeit mit ihren ganz eigenen Herausforderungen zu kämpfen. Westjet kämpft derzeit mit einem Problem, das viele Fluglinien nur allzu gut kennen: Personalmangel. Dieses Problem ist zum Teil hausgemacht beziehungsweise der Pandemie geschuldet, schließlich hatte Westjet ihre Belegschaft zu Beginn der Pandemie im großen Stil reduziert. Geschätzt 700 Piloten mussten im Jahr 2020 das Unternehmen verlassen, und das schließt die Kabinenbesatzung noch nicht mit ein – auch diese wurde deutlich geschrumpft. Nun ist es aber so, dass die nach wie vor wütende Pandemie sich ihren Tribut auch anderweitig holt: Ein empfindlicher Anteil der Westjet-Mitarbeiter fällt derzeit vorübergehend aufgrund von Corona-Infektionen aus, und da das Personal  bereits aufs Minimum reduziert wurde, gibt es für diese Ausfälle keinen Ersatz.

Cool auch in der Krise: Alexis von Hoensbroech sorgte bei der AUA besonders während der Pandemie für StabilitätAPA / Helmut Fohringer

Diese Personalausfälle resultieren in der Folge in Flugasufällen: Konkret bedeutet das für den Jahresbeghinn, dass Westjet schon circa 15 Prozent der geplanten Flüge für Jänner absagen musste. Bis zu 70 der 450 Flüge werden im ersten Monat des neuen Jahres nicht stattfinden. Die Lage spitzte sich kurz vor Silvester derartig zu,  dass das Airline-Management kurzfristig sogar mehrere Hundert Verbindungen absagen musste.

Mit diesem Problem steht Westjet – und damit bald auch Alexis von Hoensbroech – freilich nicht allein auf weiter Flur da, viele Airlines kämpfen derzeit mit Ausfällen – besonders durch die rasante Ausbreitung von Omikron. Das betrifft auch Hoensbroechs alte “Homebase”, die AUA.  Westjet findet sich hier allerdings in einer noch weitaus brenzligeren Situation wieder, da der Rotstift hier noch viel radikaler angesetzt worden war, als es bei anderen Fluglinien der Fall war. Gerade Alexis von Hoensbroech hatte sich zu Beginn der Pandemie für möglichst schonende Lösungen eingesetzt, um den Großteil des Personals durch Kurzarbeitspläne retten zu können. Noch schwerer muss Westjet tragen, weil die Wetterbedingungen in Kanada, die sich aktuell durch so gut wie permanent anhaltendes Winterwetter auszeichnen, den Luftverkehr empfindlich behindern.

Von Hoensbroech soll gekündigte Mitarbeiter von Westjet zurückholen

Die Lösung für diese Misère soll in einem groß angelegten Rückholprogramm liegen, wie nun etwa das deutsche “Handelsblatt” berichtet. Eben jene Mitarbeiter, die Westjet zu Beginn der Pandemie entließ, sollen zurück in den Schoß der Airline geholt werden – und genau für dieser Aufgabe soll sich von Hoensbroech in Kürze annehmen. Von Hoensbroech selbst stürzt sich bereits mit Feuereifer auf seine neue Aufgabe, zumindest wenn es um die nötigen Vorbereitungen geht: Denn wenn der Vater von fünf Kindern seinen neuen Job schon im ersten Quartal antritt, muss vorab die ganze Familie von Wien nach Kanada bzw. Calgary gesiedelt werden. Dafür sah sich von Hoensbroech dieser Tage bereits vor Ort nach Häusern und Schulen um, wie er seine Follower auf Social Media wissen ließ. Nach Kanada flog er dabei übrigens standesgemäß im Cockpit einer AUA-Maschine – denn auch wenn er, wie in der Branche aufgrund von Konkurrenzklauseln üblich, von der AUA schon freigestellt wurde, ist er der Austrian offensichtlich nach wie vor ebenso eng verbunden, wie seine früheren Mitarbeiter dem “Grafen” ( mit vollem Namen heißt der Neo-Westjet-Chef Alexis Graf von und zu Hoensbroech, Anm.) selbst.

Von Hoensbroech soll gekündigte Mitarbeiter von Westjet zurückholen

Auch wenn der Trennungsschmerz von der AUA und dem Lufthansakonzern offensichtlich noch nachwirkt, ist der Wechsel nach Kanada und an die Spitze von Westjet ein durchaus smarter Karriereschachzug für Hoensbroech. Insider munkelten, dass Hoensbroech wichtige Entscheidungen des Konzerns (der Lufthansa, Anm.) nicht aus vollster Überzeugung mittrug, und überhaupt dürfte von Hoensbroech mit seiner Position als AUA-CEO am für ihn absoluten maximalen Punkt der Karrieremöglichkeiten innerhalb der Lufthansa-Gruppe angelangt gewesen sein. Auch wenn der erfahrene und fähige Manager intern mehr als einmal als möglicher Nachfolger des derzeitigen Lufthansa-Chefs Carsten Spohr gehandelt wurde, scheint der Tag, an dem Spohr das Steuer jemand anderem überlässt, noch sehr weit entfernt.

Auch sind die Rahmenbedingungen bei Westjet völlig andere: Es ist anzunehmen, dass von Hoensbroech bei der Westjet unabhängiger und freier schalten und walten können wird, als er es bei der AUA – oder bei der Lufthansa – je gekonnt hätte. Denn auch wenn die Austrian eine eigenständige Airline ist, werden alle wichtigen Entscheidungen in der Zentrale des Mutterkonzerns in Frankfurt getroffen. Und auch, wenn von Hoensbroech ein Posten im Vorstand des Lufthansakonzerns laut Branchenexperten gut zu Gesicht gestanden hätte und er das Know-How für eine derartige Position mehr als mitgebracht hätte, wurde ihm ein solcher bis zuletzt verwehrt. Ein Insider verrät dem Handelsblatt dazu, dass von Hoensbroech dies aber “auf Dauer nicht gereicht“ habe.

Bei Westjet ist von Hoensbroech nun keiner großen Airline-Gruppe, wie es die Lufthansa ist, unterstellt. Die kanadische Airline gehört der kanadischen Beteiligungsgesellschaft Onex Corporation – und diese dürften dem erfahrenen Airline-Manager deutlich mehr unternehmerische Freiheiten lassen, solange er seine Fluglinie auf Erfolgskurs hält. Mit derzeit 170 Flugzeugen ist die Westjet auch fast dreimal so groß wie die AUA.

Auch im eXXpressTV-Studio war Alexis von Hoensbroech zu GasteXXpress