Michael Radasztics war nicht nur Richter im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz, sondern früher überdies ermittelnder Staatsanwalt in der Eurofighter-Affäre und gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Das sind gleich zwei weitere brisante Polit-Fälle. Im Zuge der zweiten hatte Radasztics überdies viel mit Ex-Grünen-Politiker Peter Pilz zu tun. Wie wir heute wissen, hat Radasztics dabei nicht sauber gearbeitet, sondern sowohl gegenüber Grasser, als auch in der Eurofighter-Causa seine Pflichten als Staatsanwalt verletzt – näher besehen in durchaus schwerwiegender Weise.

Dass das alles erst jetzt bekannt wurde und bisher folgenlos blieb, wirft aber ein ganzes Bündel an massiven Anfragen an die Justiz unter Ministerin Alma Zadic (Grüne) auf. Das unterstreicht der langjährige Polit-Insider und renommierte Journalist Andreas Unterberger in seinem Blog das-tagebuch.at.

„Eine lange Liste extrem bedenklicher Vorgänge“

Andreas Unterberger sieht vor allem einen schweren Verdacht: Mehrere ranghohe Justiz-Funktionäre könnten eine rechtzeitige Anzeige gegen Peter Pilz – der als politischer Ziehvater von Justizministerin Alma Zadic gilt – unterlassen haben. Somit stehen „mehrere hohe Funktionäre der Justiz in Verdacht des Amtsmissbrauchs durch Unterlassung“, sagt der ehemalige Chefredakteur der „Presse“ und der „Wiener Zeitung“. Er sieht „eine lange Liste extrem bedenklicher Vorgänge rund um das Justizministerium im Bereich Strafrecht“.

Hier ein paar Punkte:

Disziplinargericht gelangte zu „vernichtendem“ Urteil über Radasztics

Nach dem erstinstanzlichen Urteil von Richter Michael Radasztics gegen Ex-Kanzler Kurz wurde bekannt: Radasztics wurde im Vorjahr zu einer Disziplinarstrafe von einem halben Monatsgehalt wegen der “Kumulierung von Pflichtverletzungen verschiedener Art über einen mehrjährigen Zeitraum (April 2012 bis Jänner 2019)” in seiner früheren Tätigkeit als Staatsanwalt verurteilt. Das Oberlandesgericht Graz gelangte in seinem Disziplinarerkenntnis zum vernichtenden Befund, dass Radasztics „durch sein Verhalten die allgemeinen Pflichten eines Staatsanwalts … verletzt“ habe, darunter die „unverbrüchliche“ Beachtung der geltenden Rechtsordnung und die gewissenhafte Erfüllung der Pflichten seines Amtes.

Zuteilung zu Kurz-Prozess hochproblematisch

Unterberger: „Schon diese Verurteilung müsste eigentlich reichen, dass dieser Jurist keinesfalls geeignet sein kann, ausgerechnet den politisch heikelsten Prozess der letzten Jahrzehnte gegen einen (Ex-)Bundeskanzler zu leiten.“ Hier liege eine klare Verletzung der ständigen Judikatur des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) vor: „Justice must not only be done, but also seen to be done.“ (deutsch: „Gerechtigkeit muss nicht nur getan, sondern auch gesehen werden.“)

Dafür, dass Radasztics gezielt für den Kurz-Prozess eingeteilt worden ist, gibt es keinen Beweis. Die Zuteilung von Richtern geschieht nämlich nach ein Zufallsprinzip. „Jedoch versichern mehrere Justizexperten, dass es mit gewissen Tricks durchaus möglich scheint zu steuern, wer ein Verfahren leitet.“

Spezialisiert auf „Jagd gegen die ÖVP“?

Bedenklich sind laut Andreas Unterberger näher besehen auch die beiden schuldhaften Pflichtverletzungen, die Michael Radasztics aus seiner früheren Zeit als Staatsanwalt zur Last gelegt werden. Die erste davon hat er „zum massiven Nachteil von Karl-Heinz Grasser begangen hat, also ausgerechnet jenes Politikers, der zusammen mit Sebastian Kurz, über den er nun (als Einzelrichter!) geurteilt hat, nach Wolfgang Schüssel der politisch weitaus erfolgreichste ÖVP-Exponent des letzten halben Jahrhunderts gewesen ist.“ Damit scheint zumindest gemäß EGMR-Judikatur eine Unvereinbarkeit vorzuliegen, denn „Radasztics hat sich ganz offensichtlich auf die Jagd gegen die ÖVP spezialisiert“.

Pflichtverletzung gegenüber Grasser ein „Riesenskandal“

Ein „Riesenskandal“ sei für sich betrachtet aber die Pflichtverletzung gegenüber Grasser, nämlich „dass ein Staatsanwalt sieben Jahre einen Schattenakt führt, ohne den Beschuldigten pflichtgemäß darüber und über seine Rechte zu informieren.“ Weil der Ex-Finanzminister nicht über die Ermittlungen informiert wurde, konnte er nicht „sein Recht auf Mitwirkung am gesamten Verfahren“ ausüben.

Die skandalöse Informationsweitergabe an Peter Pilz

„Mindestens genauso problematisch“ sei die zweite begangene Pflichtverletzung von Radasztic, nämlich seine „Kooperation … mit dem damaligen Fraktionskollegen der jetzigen Justizministerin, also mit Peter Pilz“. Er hatte diesem „amtsgeheime Informationen“ weitergeleitet (das Verteidigungsministerium forderte die Rückforderung sicherheitsrelevanter Geheiminformationen zum Eurofighter). Tags darauf stellte Pilz ausgerechnet dazu eine Parlamentarische Anfrage – gemeinsam mit der jetzigen Justizministerin Alma Zadic. Telefonate zwischen Pilz und Radasztics deuten ebenfalls auf eine Zusammenarbeit „außerhalb des rechtlich vorgeschriebenen Wegs des Umgangs“ hin.

Höchst bemerkenswert ist, wie die diese Informationsweitergabe an Pilz zustande gekommen ist. „Denn eigentlich war eine andere, Radasztics unterstehende Staatsanwältin für die Vernehmung von Pilz zuständig. Sie wollte Pilz zu einem Termin vernehmen, zu dem Radasztics aber auf Urlaub gehen wollte. Die Zeugenaussage der Staatsanwältin: ‚Daraufhin hat Mag. Radasztics, wohl ohne mich zu informieren, den Vernehmungstermin für den 20.12.2018 vereinbart und mir dies erst nach Fixierung dieses Termins fast schon nebenbei mitgeteilt.“ Diese Staatsanwältin war dann allerdings anwesend und bezeugte unter Wahrheitspflicht die amtswidrige Informationsweitergabe von Radasztics an Pilz.

Kein Klage gegen Pilz wegen falscher Zeugenaussage

Bekanntlich bestritt Pilz später vor Gericht die Informationsweitergabe: „Er hat mir gegenüber eigentlich nur die Existenz dieser Weisung bestätigt.“ Das Disziplinargericht befand diese Aussage von Pilz als „unglaubwürdig“ bezeichnet. „Das rückt Pilz massiv in den Verdacht der falschen Aussage.“ Nur für eine Anzeige ist es zu spät, denn dieses Erkenntnis ist „erst genau fünf Jahre nachher im RIS veröffentlicht und dadurch bekannt geworden – also genau nach Verjährung der mutmaßlichen Falschaussage.“

Die damit befassten Richter und Staatsanwälte wären eigentlich „von Amts wegen verpflichtet gewesen, wegen des immerhin auf einem Gerichtsurteil beruhenden Verdachts der falschen Zeugenaussage selbst Anzeige zu erstatten.“ Das haben sie aber nicht getan. Erst Recht wäre nun Justizministerin Zadic selbst „als oberste Disziplinarbehörde der Justiz jetzt ob dieser Unterlassung zu einer Anzeige verpflichtet“.

Verdächtiger Wechsel in das Amt des Richters

Höchst auffällig und unüblich sei überdies, dass Radasztics 2023 in den Richterdienst gewechselt ist. „Die Möglichkeit, dass ein Staatsanwalt, gegen den ein Disziplinarverfahren anhängig ist, in den Richterdienst übernommen werden kann, ist jedenfalls und auch unabhängig vom konkreten Fall ein skandalöser Missstand in der Justiz. In der Amtsperiode Zadic ist so etwas jedoch offensichtlich möglich (geworden), was vorher nach der Erinnerung von befragten Justizexperten nie passiert ist.“

Familiere Beziehung zwischen WKStA-Sachbearbeiterin und Oberstaatsanwaltschaft Graz

Hinzu kommt die weitere Auffälligkeit, „dass der dafür verantwortliche Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Graz just mit jener Sachbearbeiterin der WKStA verheiratet ist, deren Name auf dem Strafantrag gegen Kurz steht, und die auch immer wieder beim Prozess gegen Kurz als Zuhörerin anwesend war, wenngleich sie interessanterweise nicht mehr selbst vorne auf der Anklägerbank gesessen ist.“ Damit hat Radasztics auch verschwiegen, „dass der Ehemann der Kurz-Anklägerin eine wichtige Funktion in diesem Disziplinarverfahren hatte.“

Verdächtige Einstellung des Disziplinarverfahrens – mit Zadic abgestimmt?

Mitten im Kurz-Prozess wurde überdies verschwiegen, dass im Dezember 2023 sowohl Radasztics als auch die Oberstaatsanwaltschaft Graz ihre Berufungen gegen das Disziplinarerkenntnis gleichzeitig zurückzogen. Dieser Vorgang ist überdies „absolut unüblich“ ist. Sie muss „nicht nur mit Radasztics, sondern vor allem auch mit Zadic als oberster Disziplinarbehörde abgestimmt gewesen sein muss“ – !!!

Nun Verdacht der Befangenheit von Radasztics als Richter

Radasztics hat zu Prozessbeginn über all das geschwiegen, obwohl die Kurz/Bonelli-Verteidiger den Antrag auf Befangenheit gestellt haben. Damit hat er „haargenau das getan, was er Kurz in seinem Urteil vorgeworfen hat, nämlich nicht vollständig und präzise genug zu antworten“ – darüber berichtete bereits der eXXpress.

Das alles berührt auch die Frage der Befangenheit von Radasztics, denn er hat „in seiner Begründung für die Ablehnung des vom Kurz-Verteidiger gestellten Befangenheitsantrags seine Kontakte zu Pilz extrem heruntergespielt, also die Verfahrensparteien nicht vollständig informiert.“

In Summe sieht der Polit-Experte „ganz schön viel an zum Teil problematischen, zum Teil dubiosen, zum Teil wirklich unfassbaren Problempunkten in der Justiz“. Er sind aber nicht die ersten Auffälligkeiten der Zadic-Justiz. „Sie füllen fast schon ein ganzes Buch.“