Der russische Friedensnobelpreisträger und ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow ist nach Angaben russischer Agenturen tot. Wie TASS und Interfax am späten Dienstagabend aus Moskau meldeten, starb Gorbatschow im Alter von 91 Jahren. Der weltweit geschätzte Politiker galt als einer der Väter der Deutschen Einheit und als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges. Er wird in Moskau neben seiner Frau Raissa auf dem Neujungfrauenfriedhof für Prominente beerdigt.

Der Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow (r.) lacht mit US-Präsident George H. W. Bush (l.) in der US-Botschaft, am 19. November 1990 in Paris vor dem OSZE-Gipfel.APA/AFP/Jerome DELAY

Besonders die Ostdeutschen verehren “Gorbi”, wie sie ihn nennen, bis heute als Staatsmann, der ihnen vor mehr als drei Jahrzehnten die Freiheit brachte. In den 1980er-Jahren hatte die Sowjetunion unter Gorbatschows Führung mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle geschlossen. In seiner Heimat hatte Gorbatschow als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess eingeleitet. Das brachte den Menschen in dem totalitären System bis dahin nie da gewesene Freiheiten.

Der damalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, wendet sich am 12. Jänner 1990 während seines dreitägigen Besuchs in der Sowjetrepublik Litauen in Siauliai an die Anwohner. Seine Frau ist auch dabei.APA/AFP/Vitaly ARMAND

1990 erhielt Gorbatschow für seine mutigen Reformen den Friedensnobelpreis. Der politische Prozess führte zu massiven Umbrüchen in allen Republiken des Sowjetstaates und letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums.

Der Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow posiert während der bilateralen Gespräche am 20. November 1990 in Paris.APA/AFP/Vitaly ARMAND

Ein Großteil der russischen Bevölkerung sah den früheren Partei- und Staatschef stets als Totengräber der Sowjetunion – und als einen Politiker ohne Machtinstinkt. Gorbatschow trat als Präsident der Sowjetunion 1991 zurück, bevor sich der Staat wenig später selbst auflöste. Der neue starke Mann in Moskau wurde damals der russische Präsident Boris Jelzin (1931-2007).

9. September 1999: Ex-US-Präsident George Bush (l.) und Sowjet-Führer Gorbatschow treffen sich in Berlin.APA/AFP/dpa/Andreas Altwein

Bis zu seinem Tod hatte Gorbatschow sich um seine eigene politische Stiftung in Moskau verdient gemacht. Die Organisation setzt sich für demokratische Werte und eine Annäherung Russlands an den Westen ein.

Die meisten Russen sehen in Gorbatschow den Totengräber der Sowjetunion.APA/AFP/Vitaly ARMAND

Gorbatschow schrieb zahlreiche Bücher – zuletzt unter anderem auch über seine Enttäuschung von den Deutschen und dem Westen. Konkret beklagte er dabei, dass neue Feindbilder gegen Russland gezeichnet würden. Zu den Feiern zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im Herbst 2019 war er aus Gesundheitsgründen nicht gereist. Er musste in den vergangenen Jahren immer wieder im Krankenhaus behandelt werden.

Der Politiker war Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung “Nowaja Gaseta”, die immer wieder Missstände in Russland aufdeckt. Gorbatschow hatte in den vergangenen Jahren Kremlchef Wladimir Putin mehrfach aufgefordert, die Freiheit der Medien und Wahlen nicht weiter einzuschränken.