In diesem ausführlichen Video-Interview spart Hans-Georg Maaßen (60) nicht mit scharfer Kritik an Grünen, Klima-Chaoten und Deutschlands Agieren im Ukraine-Krieg. „Ich halte die Klimabewegung für extremistisch – jedenfalls gemäß den offenen Erkenntnissen. Ich verstehe nicht, warum der Verfassungsschutz hier so zurückhaltend ist“, klagt er im Gespräch mit der Schweizer „Weltwoche“.

Natürlich sei nicht jede Straftat „ein Grund dafür, dass der Verfassungsschutz beobachtet. Aber wenn man eine derartige politische Motivation hat und solche Straftaten begeht – sprich: Eindringen in Flughäfen, Blockade von Autobahnen – dann ist Beobachtung gefordert.“

Klimachaoten blockieren eine Zufahrt zum Hauptstadt-Flughafen BER in Berlin.APA/dpa/Paul Zinken

Auch auf Deutschlands Interessen angesichts des Ukraine-Kriegs und der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines geht der ehemalige Verfassungsschützer ein. Bei all dem sehe er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „als sehr schwach. Er hat eine ganze Reihe von Entscheidungen getroffen, die sehr nachteilig für Deutschland sind.“

„Scholz muss offenlegen, was er weiß“

So hat Maaßen etwa „nicht verstanden, warum sich Scholz zu den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines so zurückhaltend geäußert hat.“ Alle in Deutschland hätten „Anspruch darauf, dass Herr Scholz offenlegt, was er weiß und was die Erkenntnislage der deutschen Behörden ist.“ Dies sei ganz klar „ein Anschlag gegen deutsche Interessen“ gewesen: „Das ist deutsche und kritische Infrastruktur, die hier zerstört wurde, auch wenn sie in russischem Eigentum war. Über diese Pipelines ist Deutschland mit russischem Gas versorgt worden.“

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (Bild) habe Deutschland mit vielen Entscheidungen schwer geschadet, sagt der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident.APA/AFP/ANDRE PAIN

Es müsse unbedingt offengelegt werden, wer hier die Attentäter sind. Die bisherigen Erklärungen – es war Russland oder eine „ukrainische Patriotentruppe“ – „sind nicht nachvollziehbar und auf jeden Fall nicht belastbar.“

Zum Nord-Stream-Sabotageakt sagt Maaßen: Das war ein Anschlag gegen deutsche Interessen, wir haben ein Recht auf Klarheit.APA/AFP/DANISH DEFENCE

„Deutschland wird Kriegspartei, wenn es schwere Waffen an die Ukraine liefert“

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg zeigt Maaßen Verständnis für die anfänglich zögernde Haltung des deutschen Kanzlers. „Ich bin kein Befürworter einer Kriegsbeteiligung Deutschlands.“ Auf eine solche steuert Deutschland aber gemäß Maaßen offenbar zu – oder hat sie bereits erklärt. Denn der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident unterstreicht: „Eine Kriegsbeteiligung sehe ich auch, wenn Deutschland aktiv schwere Waffen an die Ukraine liefert. Ich will nicht, dass Deutschland Kriegspartei wird.“ Die Ukraine sei „aus guten Gründen nicht NATO-Mitgliedsstaat, ansonsten wäre die Lage anders.“

Deutschland soll keine schweren Waffen in die Ukraine schicken, fordert Maaßen. Im Bild: ein Leopard-2-Panzer.

„In der Ukraine werden keine westlichen Werte verteidigt“

Auch gegen die jetzige Kriegsrhetorik wehrt sich Maaßen: „In der Ukraine werden nicht westliche Werte verteidigt, wie propagandistisch auch von meiner Partei immer wieder gesagt wird. Es geht hier um amerikanische und russische Interessen, aber wirklich nicht um Werte. Deutschland wird nicht an der Grenze zu Russland verteidigt.“

Als Wunschszenario nennt Maaßen, „dass wir schnellstmöglich zu einem Waffenstillstand kommen und zu einem Frieden in der Ukraine.“  Deutschlands Interesse müsste eine Normalisierung der Beziehungen sein. Dabei sollte Deutschland „nicht Öl ins Feuer gießen, indem wir immer schwere Waffen liefern und offen sagen, mit Russland darf nicht verhandelt werden.“

Hans-Georg Maaßen: Deutschlands Interesse müsste ein Waffenstillstand sein. Im Bild: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj

Verhandlungen sind einziger Weg zum Ziel – je früher, je besser

Der ehemalige Verfassungsschützler sieht das ganz anders: „Es muss mit Russland verhandelt werden. Der Westen hat mit den Taliban und Nord-Vietnam verhandelt. Das sind ebenfalls Regime, die in westlichen Medien zuerst dämonisiert worden waren.“ Ohne Verhandlungen werde es keine keine Lösung geben. „Russland ist eine Atommacht. Zu glauben, wir werden hier Moskau erobern können und Putin aus dem Kreml verjagen, das ist eine völlige Illusion.“

Allerdings sei ein Frieden immer schwieriger zu erreichen und mit immer höheren Kosten verbunden, „weil Russland schon selbst viel verloren und investiert hat“. Maaßen erinnert an das Angebot der Chinesen, Verhandlungslösungen zu moderieren. „Der Westen hat das ausgeschlagen. Daraufhin haben die Chinesen Putin über die Medien eine gewisse Solidarität signalisiert. Putin fühlt sich unterstützt durch China und ist nicht mehr so schwach, wie es westliche Medien darstellen.“  Fakt ist: „Der Preis, den wir für einen Friedenvertrag zahlen müssen, wird von Woche zu Woche höher.“

Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock (Bild) befürwortet die Sendung immer schwererer Waffen an die Ukraine. Dass den Grünen Pazifismus tatsächlich jemals so wichtig war, bezweifelt Maaßen.

Den Grünen geht es in Wahrheit um Ideologie und Macht

Angesprochen auf die Kriegsbegeisterung der deutschen Grünen nach Jahren, in denen diese Partei Pazifismus gepredigt hat, meint Hans-Georg Maaßen: „Der Pazifismus ist offensichtlich wie auch manches andere nur eine dünne Firnis bei den Grüngen. Es geht überhaupt nicht um Pazifismus. Es geht um Ideologie, Herrschaft, Macht, und darum, anderen Menschen zu befehlen, wie sie zu leben haben.“

Noch vor einigen Jahren sei „der deutsche Wald als Ikone hochgehalten“ worden. Nun werde der Thüringer Wald und der Schwarzwald für Windkrafträder abgeholzt. „Da schaut man nicht auf Naturschutz, auf Tierschutz, es geht um Ideologie.“

2014: Hans-Georg Maaßen an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit der er sich im Jahr 2018 zerstritten hat.APA/AFP/DPA/Oliver Berg

Dass politische Parteien allerdings beobachtet werden, wie es zurzeit gegenüber der AfD geschieht, das lehnt Maaßen ab: „Ich habe mich als Verfassungsschutzpräsident immer dagegen ausgesprochen, dass der Verfassungsschutz politisch instrumentalisiert wird. Es ist immer attraktiv für politische Parteien, einen Verfassungsschutz an der Seite zu haben, der tut, was die Politik will und politische Feindbekämpfung betreibt. Das darf in einer politischen Demokratie nicht passieren.“ Deshalb habe er auch als Verfassungsschutzpräsident „die Beobachtung der Partei ‚Die Linke‘ abgeschafft“.

Maaßen war bis Jänner 2022 Mitglied der Werteunion. Ein Jahr später wurde er Bundesvorsitzender der Werteunion. Zur Bundestagswahl 2021 trat er im Bundestagswahlkreis Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg als Direktkandidat der CDU an und unterlag seinem Mitbewerber Frank Ullrich (SPD).APA/AFP/Jens SCHLUTER