Eigentlich hat der deutsche Gesundheitsminister Humanmedizin studiert. Gerne untermauert er seine Corona-Maßnahmen mit wissenschaftlichen Argumenten. Das Dumme: Sämtliche seiner ehemaligen Kollegen widersprechen ihm, so auch einigen seiner jüngsten Behauptungen, mit denen er Deutschlands schärferen Corona-Kurs rechtfertigte.

Der Minister hat „bestenfalls einiges durcheinander gebracht“

Aufhorchen ließ bei Lauterbachs jüngster Pressekonferenz etwa folgende Aussage: „Bei demjenigen, der geimpft ist, beginnen die Symptome oft, bevor die Viruslast sehr hoch ist. Das ist bei Ungeimpften ganz anders.“ Geimpfte wissen demnach früher, dass sie sich mit Corona infiziert haben. Das rechtfertige auch unterschiedlichen Umgang mit Geimpften und Ungeimpften.

Das Argument ist nicht neu, aber umstritten. „Hier hat man bestenfalls wohl einiges durcheinander gebracht“, kommentiert Epidemiologe Klaus Stöhr auf Twitter Noch schärfer formuliert der Medizinstatistiker Gerd Antes: „wie immer evidenzfrei“. Und fragt: „Wie ist die Steigerung von fassungslos?“

Gegenüber “Focus” erklärte dazu der Immunologe Carsten Watzl: „Es fehlen mir die Daten, ob Geimpfte bei einer Infektion wirklich früher Symptome zeigen als Ungeimpfte“. Die Symptome würden nicht vom Erreger, sondern von der Immunreaktion ausgelöst. „Jedoch spielt auch das angeborene Immunsystem bei den Symptomen eine große Rolle, und das wird durch die Impfung ja nicht verändert, da es kein immunologisches Gedächtnis hat“.

Sonderregelung für „frisch Geimpfte“ unbegründet

Deutschlands neue Infektionsschutzgesetz könnte darüber hinaus Ausnahmen für „frisch Geimpfte“ festlegen, deren letzter Stich höchstens drei Monate zurückliegt. Das stößt bereits seit Anfang August auf Kritik – und daran „hat sich auch nach der heutigen Präsentation des BMG und BMJ nichts geändert“, schreibt Epidemiologe Klaus Stöhr auf Twitter: „Der genannte 3-Monatszeitraum im IfSG-Entwurf vernachlässigt entweder die Daten zu den Impfzielen oder den Impfnebenwirkungen.“

Es können nicht das Impfziel, Infektionen zu verhindern, sondern nur die schweren Verläufe bei den verwundbaren Bevölkerungsgruppen zu verringern.

Brisant, auch für Wien: Deutsche Wissenschaftler klar gegen FFP2-Maskenpflicht

Dann wäre da noch die FFP2-Maskenpflicht – eigentlich ein österreichisches Spezifikum, dem die Fachwelt schon seit langem widerspricht. Lauterbach twitterte dazu folgendes: „Omikron BA.5 ist extrem ansteckend. Wenn man Maske trägt, sollte sie auch wirken. Daher die FFP2 Pflicht“. Hierbei ging es um die FFP2-Pflicht in Fernzügen, die in Wien zurzeit in allen öffentlichen Verkehrsmitteln gilt.

Für eine solche FFP2-Maskenpflicht gebe es aber „keine wissenschaftliche Evidenz“, sagt der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit.  Das ist eine brisante Aussage. Vielleicht hört sie auch der Wiener Bürgermeister. Wie der Experte auf Twitter unterstreicht, widerspricht diese Empfehlung sogar denen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften.

Wirkung bei normalem Mund-Nasen-Schutz in der Regel besser

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) hat sich mehrfach gegen eine FFP2-Maskenpflicht ausgesprochen: „FFP2-Masken sind Hochleistungs-Atemschutzmasken, die für den Arbeitsplatz bestimmt sind. Nur bei korrekter Anwendung übertrifft ihre Wirksamkeit im Allgemeinen jene von chirurgischem Mund-Nasen-Schutz.“ Das ist aber bei gewöhnlichen Bürgern so gut wie nie der Fall. Die Voraussetzungen dafür sind nämlich: Die Maske muss angepasst sein, auf dichten Sitz überprüft werden und das Tragen muss geschult werden. „Für die Bevölkerung besteht weder die Möglichkeit, die passende Maske auszuwählen, noch erfolgt eine Schulung. Im Allgemeinen werden daher die Masken nicht korrekt getragen und verlieren somit die Schutzwirkung.“

Es kommt noch dicker: „Wenn bei der FFP2-Maske über Leckage geatmet wird, dann geht die Schutzwirkung weitgehend verloren und ist deutlich schlechter, als wenn ein gut angepasster chirurgischer Mund-Nasen-Schutz getragen wird.“