Florian Wagner (31) ist das Gesicht hinter der “Klimt-Attacke” im Wiener Leopold Museum. Der Pressesprecher der “Letzten Generation” beschäftigt sich beruflich mit klimaneutraler Wärme. Im eXXpress erklärt er, wie viele Klima-Kleber für ihre Aktionen bezahlt werden und warum sie sich nicht in China festkleben.

Er ist der Pressesprecher der Letzten Generation: Florian Wagner

Vor wenigen Tagen schockierte ein Aktivist der Letzten Generation mit der Feststellung, man müsse auch Tote riskieren. Wie stehen Österreichs Klima-Kleber zu dieser Aussage?

Bezüglich der Rettungsdienste tun wir alles, um diese nicht zu behindern: Eine Spur kann jederzeit geöffnet werden und die Leitstelle der Berufsrettung MA70 wird von uns wenige Minuten vor der Blockade informiert, sodass Einsatzfahrzeuge umgeleitet werden können.

Immer wieder taucht der Vergleich mit der RAF auf. Besteht die Gefahr, dass der Protest früher oder später noch radikaler werden muss? Vor allem dann, wenn deutlich wird, dass die bisherige Taktik nicht funktioniert?

Bei Letzte Generation und allen anderen Organisationen im A22 Network ist die absolute Gewaltfreiheit oberstes Prinzip. Personen, die dagegen verstoßen, werden von den Protesten ausgeschossen. Das wird immer so bleiben, auch weil die Geschichte zivilen Ungehorsams zeigt, dass er nur dann Erfolg haben kann, wenn er friedlich und gewaltfrei ist.

Es gibt in Österreich bereits die Initiative des Klimarats. Warum reicht das nicht? Immerhin kostete der die Steuerzahler kolportierte zwei Millionen Euro.

Leider hatte dieses tolle Projekt kaum Einfluss auf die Politik. Der Klimasprecher der ÖVP hat den 88 zufällig (von Statistik Austria) repräsentativ ausgelosten und durch führende Experten informierten Bürger jegliche Legitimität, Vorschläge einzubringen, abgesprochen.

Der Politologe Ralph Schöllhammer sagte im eXXpress sinngemäß, wer meine, die Klimakrise ließe sich zwischen Schleswig-Holstein und Kärnten stoppen, habe keine Ahnung. Was bringt es also, wenn ich Tempo 100 fahre, so lange Länder wie China und Indien weitermachen wie bisher? Warum müssen wir einen Wohlstandsverlust hinnehmen, um wirtschaftlich noch weiter abgehängt zu werden? Und bitte, “einer muss als Vorbild vorangehen”, ist keine Antwort, die ich gerne gelten lasse. Da ist es dann wirklich Zeit für uns alle, Chinesisch zu lernen.

Der Anteil aller Länder, die weniger als 1% der weltweiten Emissionen zu verbuchen haben, summiert sich auf fast ein Drittel. Zudem sind viele unserer Emissionen in Länder wie China ausgelagert – trotzdem ist der Pro-Kopf-Ausstoß einer Chinesin viel niedriger als unserer.
Es bringt der österreichischen Volkswirtschaft einen großen Vorteil, als erste unabhängig von fossilen Energien zu sein. Die Entwicklung grüner Technologien könnte uns zum Wirtschaftsstandort der Zukunft machen. Leider sind zB PV-Hersteller mangels staatlicher Subvention eingegangen, die Wafer werden fast nur noch in China produziert. Die Leuchtturm-Funktion hat sehr wohl einen großen Effekt. Wenn wir in Mitteleuropa die Transformation schaffen (und das bedeutet v.a. für die untere Einkommenshälfte keinen Wohlstandsverlust!) werden viele Länder schnell nachziehen, weil sie sonst zu Außenseitern werden.

Wie viele Mitglieder zählt die Letzte Generation in Österreich?

Die Letzte Generation ist kein Mitgliederverein. Es gibt aktuell rund 70 Bürger, die selbst mit Letzte Generation zivilen Ungehorsam leisten, indem sie sich etwa an Straßenblockaden beteiligen. Weitere 70 Menschen engagieren sich in anderer Weise für die Letzte Generation.

Werden Aktivisten für den Protest bezahlt?

Nein, für den Protest wird niemand bezahlt. Es gibt derzeit in Österreich 3 Personen, die für administrative Tätigkeiten und das organisieren von Vorträgen und ähnlichem ein kleines Einkommen erhalten, das zwischen 800 und 1200 Euro liegt.

Und warum denken diese 0,01% der Bevölkerung, hat der Rest der Österreicher keine solch große Angst vor dem Klimawandel?

Ich selbst habe eine naturwissenschaftliche Ausbildung und mehrere Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet. Inzwischen rechne ich als Ökonom an einem Forschungsinstitut mögliche Szenarien der Dekarbonisierung. Es gibt nur wenige Menschen wie mich, die sich derart lange und intensiv mit der Klimaforschung auseinandersetzen konnten. Fast alle, die das beruflich tun, sehen die Bedrohung ähnlich oder schlimmer als wir von der Letzten Generation.

Die straffe Organisation wirkt sektenartig, was sagt ihr zum Vorwurf, eine “Klimasekte” zu sein? Wie geht man überhaupt damit um, von breiten Teilen der Gesellschaft beschimpft und verteufelt zu werden?

Ich verstehe den Vorwurf nicht. Unsere Organisation ist weit weniger straff als die vieler Organisationen und Unternehmen, die ich kenne. Die Beschimpfungen, Hassnachrichten und Drohungen gehen uns unterschiedlich nahe. Einzelne Personen nehmen das ehrenamtliche Angebot von professionellen Psychologen war, darüber zu sprechen.

Was unterscheidet eure Weltuntergangsfantasie von den vorangegangenen? (Ozonloch, Waldsterben)

Wir phantasieren nicht. Die Entstehung von weiteren Ozonlöchern wurde dank Margaret Thatcher und Ronald Reagan – glühende Libertäre und KämpferInnen für den freien Markt – durch ein weltweites Verbot der FCKWs verhindert. Der saure Regen wurde durch ordnungsrechtliche Vorgaben für die Industrie bekämpft. Die Emissionen steigen jährlich weiter an. Wir glauben nicht an den Weltuntergang, wir wissen, dass die Zivilisation durch die Erderhitzung bedroht ist, weil die Wissenschaften das seit 50 Jahren eingehend erforscht haben. Es gibt sehr gute Möglichkeiten, die schlimmsten Katastrophen abzuwenden. Es fehlt allein der politische Wille.

Gibt es ein Leben nach dem Kleben?

Viele von uns haben ihren Arbeitsplatz riskiert und einige haben ihn verloren, weil sie sich an Protesten beteiligt haben. Ich hoffe, dass wir bald damit aufhören können. Die Regierung müsste sich nur endlich an die selbst gesteckten (Pariser Abkommen 2017) Emissionsreduktionsziele halten und sich entsprechend dem selbst ausgerufenem Klimanotstand (2019) verhalten.