Wiens Sonderweg in der Phase der Lockerungen verwundert den Arzt Marcus Franz im TV-Talk mit eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt um 20:15 Uhr: „Wien schert aus der Bundesregelung aus, die langsam vernünftig zu werden beginnt.“ Dass sich nun in Wien selbst sechsjährige Kinder testen lassen müssen, bevor sie das Schwimmbad oder Gasthaus betreten, bezeichnet der Arzt als „aus medizinischer Sicht völlig sinnlos.“ Anders als öffentlich kommuniziert hätten sich schon die Schultests als „wenig erfolgreich herausgestellt: Jedes zweitausendste Kind war im Schnitt positiv.“ Nur habe man halt „Maßnahmen gesetzt um Maßnahmen zu setzen.“

Über Contact-Tracing will man möglicherweise infizierte Migranten ausfinden machen

Wiens Testzwang für Kinder schade den Schwimmbädern, der Gastronomie und den Kindern. Und: „Es gibt bei uns keine schwererkrankten Kinder, Gott sei Dank auch keine Todesfälle.“ Deshalb sei das Vorgehen von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ein „Schuss ins eigene Knie“.

Die beiden anderen von roten Landeshauptleuten regierten Bundesländer Burgenland und Kärnten  schließen sich dem Wiener Weg nicht an. Nun stellt sich die Frage, was Ludwig damit eigentlich bezwecken will. Aus Sicht von Marcus Franz gibt es eine einzige sinnvolle Erklärung: „Wenn es einen Sinn haben sollte, will man über diesen Umweg in die migrantischen Milieus vordringen. Gerade dort war die Erkrankungshäufigkeit besonders hoch.“ Mittels Contact-Tracings könne man dann über infizierte Kinder auch andere mit Corona-infizierte Personen in den migrantischen Milieus ausmachen.

Ehrlich wäre eine Informationskampagne, aber anscheinend will man nicht offen kommunizieren

Dies sei allerdings ein hinterhältiger politischer Weg. Ehrlich sei es vielmehr, die Probleme offen anzusprechen und Migranten zum Beispiel über Informationskampagnen zu erreichen. Doch anscheinend getraut man sich nicht, eine Gesundheits- und Kommunikationspolitik für die Migranten in die Wege zu leiten. Marcus Franz resümiert: „Dieser Versuch, die Kinder zu testen, ist ein Versuch in diese Milieus hineinzukommen. Das ist nicht korrekt und nicht wirklich wertschätzend.“

Die Panik vor der Delta-Version hält der Arzt für übertrieben: „Es ist immer schlecht, wenn man bei Krankheiten, die viele Menschen betreffen, Panik erzeugt. Die Bundesregierung hat diesen Weg mittlerweile verlassen.“ Bisher habe man auf die falschen Zahlen geschaut, nämlich die Inzidenzzahlen. „Wir müssen auf die Zahlen der Erkrankten schauen, und die ist zum Glück gering, auch beim Delta-Virus“. Diese Mutation sei zwar infektiöser, aber nicht gefährlicher.

Am Ende hofft Franz, dass die Politik dazulernen wird, und gewisse Maßnahmen wie das Schließen der Sportstätten bei künftigen Pandemien nicht mehr ergreifen wird. „Das sind unsinnige Maßnahmen, die man nie wieder ergreifen darf.“