Die Staatsanwaltschaft Wien stellte das Vergewaltigungs-Verfahren aus Beweisgründen ein, weil sie in Abwägung der Beweislage keinen tatsächlichen Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten sah.

Im Gegenzug wurde der 26-jährige Bekannte des Politikers zur Anklage gebracht, zumal der ÖVP-Funktionär die gegen ihn gerichteten Vorwürfe vehement bestritten hatte. Seiner Darstellung zufolge lernte er den jüngeren Mann im November 2016 bei der Wahl zum “Mister Austria” kennen, was in weiterer Folge zu einvernehmlichem Sex und einer engen Freundschaft geführt habe. Nach einem Streit im Frühjahr 2019 sei diese Freundschaft zu Ende gegangen.

Lockdown hätte den Mann überfordert

2020 erzählte der jüngere Mann dann zunächst Freunden und später auch der Kriminalpolizei, er sei 2017 von dem ÖVP-Funktionär nach einer Party mutmaßlich mittels K.o.-Tropfen betäubt worden und erst in dessen Bett wieder zu sich gekommen, als dieser an ihm sexuelle Handlungen vornahm. Wie nun der renommierte Gerichtspsychiater Peter Hofmann, der die Aussagefähigkeit des 26-Jährigen zu beurteilen hatte, darlegte, dürfte diese Schilderung auf einem so genannten False-Memory-Syndrom beruht haben. “Aus fachlicher Sicht spricht tatsächlich vieles dafür, dass es sich hier um eine typische Manifestation eines so genannen False Memory handelt, also eines induzierten Gedächtnisprozesses, der mit der Realität nicht in Einklang zu bringen ist”, heißt es in Hofmanns schriftlichem Gutachten. Das False Memory sei “das plausibelste Erklärungsmodell”, zumal es aus Sicht des 26-Jährigen zu dem ÖVP-Funktionär “über einen langen Zeitraum ein völlig ungetrübtes, freundschaftliches Verhältnis und eine gemeinsame heitere Entwicklung gegeben hat. Dies wäre bei einer stattgehabten Vergewaltigung unmöglich.”

Das False-Memory-Syndrom sei “nichts, was gewollt ist”, erläuterte Hofmann dem Gericht, “das überfällt einen und macht mit einem etwas.” Der 26-Jährige sei in der Lockdown-Zeit äußerst belastet, in beruflicher, körperlicher und psychischer Hinsicht überfordert gewesen – allesamt begünstigende Faktoren zur Herausbildung von False Memory, wie der Sachverständige betonte.

Der Richter nahm am Ende an, dass beim Angeklagten ein False-Memory-Syndrom vorliegt. Der Angeklagte wurde daher freigesprochen, weil nach Dafürhalten des Erstgerichts hinsichtlich der Verleumdung und der Falschaussage die subjektive Tatseite nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellbar sei. Die Staatsanwältin gab zu dieser Entscheidung vorerst keine Erklärung ab, der Freispruch ist somit nicht rechtskräftig.