Diese “WIR sind ja nicht so, aber die anderen”-Strategie ist nicht die allerfeinste, aber sie wird noch immer häufig benutzt. Wenn es keine überlebende Zeugen zu dieser “nur die anderen Parteien sind schmutzig, kriminell, doof oder alles”-These gibt, bleibt das auch so stehen. Die 75-prozentige SPÖ-Bundesparteivorsitzende hat sich jetzt – Überraschung – wieder einen Fehler geleistet: Rendi-Wagner meinte in Kampfpose am Rednerpult, dass nur “die Türkisen” Kritiker unter Druck setzen würden. Dass nur für die SPÖ immer schon klar sei, “dass Kritik auch an unserer Regierungen geübt werden darf, dass Kritik geübt werden muss”.

Blöd aber auch: Es gibt überlebende Zeugen, dass es für die SPÖ selbstverständlich ist, Kritiker in den Medien unter Druck zu setzen. Und zwar massiv, bis hin zur Drohung der Vernichtung der Existenz.

Gelassener Umgang mit Kritik – tatsächlich?

Dazu drei Beispiele, die ich aus erster Hand kenne: In Beispiel 1 wollte eine sozialdemokratische Wiener Stadtpolitikerin jede weitere Berichterstattung über ein gewisses Maß an Missmanagement in ihrem Ressort verhindern. Wie mir der damalige Herausgeber berichtete, forderte die SPÖ-Politikerin von ihm meine Kündigung. Er verweigerte das und sorgte so dafür, dass der Vater von damals zwei (jetzt vier) Kindern weiter einen Job hatte. Ich kenne Kollegen, die hatten leider weniger Glück.

Beispiel 2: Der Redenschreiber und Huldiger des früheren SPÖ-Kanzlers Christian Kern, ein Wiener Werbe-Manager, wollte die Berichterstattung verhindern, dass eine Mitarbeiterin der SPÖ-Zentrale bei einer Dirty-Campaigning-Aktion aussteigen wollte. Er schrieb an die junge Frau: “Entweder wir machen das morgen oder der Zug ist abgefahren. Sie (die SPÖ-Spitze, Anm.) haben deine Telefonprotokolle, und klagen dir den Arsch voll. Beweg dich, sie werden dir sonst nie eine Ruhe geben. Ich gebe dir das Doppelte und sorge dafür, dass dir rechtlich nichts passiert. Die klagen dich in Grund und Boden und zerren dich durch die Arena.”

Bemerkenswert, dieser gelassene saubere Umgang mit einer Kritikerin.

Inseraten-Kürzung als Strafmaßnahme

Und Beispiel 3: Eine mit einem Krankenhaus-Bau etwas überforderte Wiener SPÖ-Stadtpolitikerin war derart aufgeschlossen für Kritik (die “ja sogar geübt werden muss”- Zitat Rendi-Wagner), dass sie einer Tageszeitung, die über eine gewisse Kostenexplosion bei ihrem Prestigeprojekterl berichtet hat, für mehrere Monate die Inserate streichen ließ. Die Sozialdemokratin hat also genau das gemacht, was jetzt von der SPÖ bei Türkis-Grün kritisiert wird.

Es gäbe noch Beispiele 4, 5, 6, etc., auch andere Branchenkollegen könnten noch dazu so einiges über das ach so große Herz der SPÖ für SPÖ-kritischen Journalismus berichten.

Für die große alte SPÖ ist zu hoffen, dass all die anderen Aussagen am roten Bundesparteitag wahrer als das Statement von Pamela Rendi-Wagner über das Verhältnis der SPÖ zu den Medien war: Beim Flunkern sollte sich die Parteivorsitzende jedenfalls nicht mehr erwischen lassen.