Ein Vorschlag des SPÖ-Chefs ging während des ORF-Sommergesprächs unter. Das ist eigentlich überraschend. Denn es handelt sich Andreas Babler zufolge um eine zentrale Forderung der Sozialdemokratie, die einen näher besehen aber ziemlich fassungslos zurücklässt.

Babler: Wichtig auch für Kinder, die zum Bad oder ins Kino wollen

Bereits in der Anfangsphase des TV-Talks kam Babler darauf zu sprechen. Einmal mehr ging es um den Klimaschutz. ORF-Moderatorin Susanne Schnabl wollte wissen: Kann der SPÖ-Chef drei konkrete Maßnahmen nennen, um die Emissionen im Verkehr zu senken? „Das Schlüsselwort ist die öffentliche Infrastruktur“, sagte Babler. Hier sehe er die Lösung, und das sei die „erste, zweite und dritte“ – und damit einzige – Maßnahme der SPÖ zur Emissionssenkung.

Die Kamptalbahn ist eine der Regionalbahnen Österreichs. Es gibt sie bereits seit 1889.Paul Liebhart

Diese einzige SPÖ-Maßnahme zur Senkung der CO2-Emissionen sieht so aus: Jeder Österreicher im ländlichen Raum soll die Chance bekommen, „innerhalb von 15 Gehminuten eine öffentliche Verkehrsanbindung – die Station von einem Bus oder einer Bahn – zu haben.“ Das betreffe nicht nur das Pendeln zur Arbeit, „sondern auch Kinder und Jugendliche, die in die Nachbargemeinde müssen, in das Bad wollen, das Kino besuchen, einkaufen gehen, Arztbesuche und so weiter“.

Moderatorin Susanne Schnabl (l.) hakte nicht nach, aber die Steuerzahler könnte es interessieren: Wie viel wird der SPÖ-Vorschlag kosten?APA/HELMUT FOHRINGER

Kaum vorstellbar, dass der Vorschlag durchgerechnet wurde

Das klingt fein – sorgt aber mittlerweile für Spott auf X bzw. Twitter. Näher besehen völlig zu Recht. Man fragt sich, ob die SPÖ diese Idee tatsächlich durchgerechnet hat, und ob Babler allen Ernstes quer durch Österreich tausende neue Stationen errichten will, für die er dem Steuerzahler Unsummen aus der Tasche ziehen müsste. Es scheint, als müsste diese Strategie gegen Emissionen im Verkehr dringend überarbeitet werden.

Öffi-Stationen in maximal 1 Kilometer Entfernung für jeden Haushalt?

Selbst in manchen städtischen Gebieten benötigt man länger als 15 Minuten, um zur nächsten Haltestelle zu gelangen. In den Außenbezirken Wiens etwa ist die Verkehrsanbindung deutlich schlechter, wie übrigens auch die Arbeiterkammer in einer Studie ermittelt hat. 300.000 Wienern stehen nur Bus-Haltestellen mit teils langen Wartezeiten zur Verfügung.

Auch in Wien ist nicht überall die nächste Bim, U-Bahm-Station oder Bushaltestelle „um die Ecke“.APA/HELMUT FOHRINGER

Noch spannender wird Bablers Forderung aber für den von ihm erwähnten ländlichen Raum. In 15 Gehminuten legt man in etwa einen Kilometer zurück. Von jedem Wohnort soll es also eine Öffi-Station in höchstens einem Kilometer Entfernung geben. Speziell in entlegenen und gebirgigen Gegenden – aber nicht einmal nur dort – würde das eine anspruchsvolle, und vor allem enorm teure Aufgabe werden.

Wollen Sie trotz Arbeitskräftemangel wirklich etliche Arbeitskräfte für tausende Öffi-Stationen am Land binden, Herr Babler?APA/HELMUT FOHRINGER

Komplizierte Anbindung, unzählige Stationen, Züge und Busse für wenige Menschen

Zur Anbindung einiger Orte an den öffentlichen Verkehr ist es mit der Errichtung von ein paar wenigen Stationen nicht getan. Selbst über dünn besiedelte Regionen hinweg müssten neue, lange Verkehrslinien gebaut werden, um nur äußerst wenige Menschen zu transportieren.

Hinzu kommt die Frage der Intervalle: Sollten Züge und Busse nur zwei Mal am Tag fahren, dürften sie sich für viele Bewohner als höchst unpraktisch entpuppen. Fahren sie aber über den gesamten Tag hinweg zumindest jede halbe Stunde, wird sich irgendwann der – von Babler wie immer ausgeblendete – Steuerzahler fragen: Wozu finanziere ich Unsummen für so viele leere Wagons?

Das Schienennetz der ÖBB ist rund 5000 Kilometer lang.APA/AFP/HALADA

Wie viel wird das kosten, Herr Babler?

Öffis sind wichtig und können den Lebensstandard vieler Menschen heben. Aber Öffis für jeden in 15 Gehminuten Entfernung gibt es eher nur im Wolkenkuckucksheim.

PS: Österreich hat zurzeit 21.200 Bus-Haltestellen, 1038 ÖBB-Bahnhöfe und Haltestellen, darüber hinaus noch 109 U-Bahn-Stationen in Wien, sowie 1321 Straßenbahn-Stationen in Wien, Linz, Graz, Innsbruck (und Umfeld) und Gmunden. Das sind in Summe 23.663 Haltestellen. Es wäre spannend zu erfahren, wie viele zusätzliche Stationen Österreich benötigen müsste, damit für jeden Österreicher zumindest eine davon in 15 Gehminuten Entfernung liegt. Ob Babler die Antwort kennt?

Andreas Babler kennt nur eine einzige Maßnahme gegen Emissionen im Verkehr, doch die lässt viele ratlos zurück.APA/HELMUT FOHRINGER

PPS: 743.000 Zuseher verfolgten das „Sommergespräch“ mit dem neuen SPÖ-Chef. Das waren mehr als bei FPÖ-Chef Herbert Kickl in der Woche zuvor, aber knapp weniger als bei Bablers Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner, das im Vorjahr 756.000 Österreicher sahen.