Präsident Emmanuel Macron ist drauf und dran die Pensionsreform ohne Abstimmung im Parlament durchzusetzen. Seit Wochen erhebt sich deshalb der Zorn gegen ihn und Regierungschefin Elisabeth Borne auf den Pariser Straßen. Die Gewalt eskaliert zunehmend, ein Ende ist nicht in Sicht. Straßenschlachten gehören allmählich zum Alltag.

Ein Demonstrant steht vor brennenden MotorrollernAPA/AFP/JULIEN DE ROSA

“Die Bilanz der letzten Wochen ist düster”, schreibt die “Welt”. “Mehr als tausend verletzte Polizisten und Feuerwehrleute, zwei Demonstranten im Koma, Politiker, die bedroht werden, Abgeordnete deren Haustür zugemauert wird und eine Parlamentspräsidentin, die antisemitische Beschimpfungen erhält. Was ist nur los in Frankreich?”

35 Prozent halten Gewalt für legitim, bei der Linken denkt das die Mehrheit

Erstaunlich viele Franzosen halten Gewalt für ein legitimes Mittel zur Erreichung politischer Ziele. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ifop. Auf der politischen Linken denk das sogar die Mehrheit. 35 Prozent der Befragten bejahen, dass es “manchmal notwendig ist, Gewalt einzusetzen, um seine Anliegen oder Überzeugungen voranzubringen”. Bei den Sympathisanten der linkspopulistischen Partei Unbeugsames Frankreich denken das sogar 60 Prozent.

Französische Polizeikräfte helfen einem Verletzten während einer Demonstration in ParisAPA/AFP/Christophe ARCHAMBAULT

In der Vergangenheit hatten gewalttätige Proteste in Frankreich durchaus “Erfolg”, etwa die Gelbwesten, die Macron erst damit stoppte, als er eine Finanzhilfe von zehn Milliarden Euro für bedürfte Haushalte beschloss. Das festigte bei den Bürgern die Überzeugung, dass Gewalt zum Ziel führen. Doch Macron zog offensichtlich die gegenteilige Schlussfolgerung: Diesmal beharrt der Präsident auf einer Anhebung des Pensionsalters auf 64 Jahre und ist nicht kompromissbereit.

Ein Demonstrant legt sich während einer Demonstration in Paris am 28. März 2023 vor der Bereitschaftspolizei CRS auf den Boden.APA/AFP/Christophe ARCHAMBAULT

Drohbriefe gegen vier Monate alten Säugling der Fraktionsvorsitzenden

Politiker, die Macrons Pensionsreform unterstützen, erhalten bereits Drohbriefe. Die Fraktionsvorsitzende von Macrons Regierungspartei Renaissance Aurore Bergé hat einen Brief sogar in den sozialen Netzen veröffentlicht, weil er so abstoßend ist. Er richtet sich nämlich nicht gegen Bergé, sondern gegen ihren vier Monate alten Sohn: “Ihr Auswurf ist so klein, dass er nicht wird fliehen können. Feuer, Baseballschläger, Eisenstange. Alles ist geeignet, um sie auszurotten.” Bergé erstattete Anzeige. Sie spricht von “Erpressungsversuchen”, denen man in der Demokratie auf keinen Fall nachgeben dürfe.