Nun lassen Bitcoin-Fans endgültig die Sektkorken knallen. Die größte Kryptobörse der USA geht an die Nasdaq. Damit startet die Krypto-Party an der Wall Street. Nasdaq die größte elektronische Börse des Landes, gemeinhin auch “Technologiebörse” genannt. Ab Mittwoch kann somit die größte US-Handelsplattform für digitale Währungen auch als Aktie gekauft werden. Cyberdevisen, zunächst eine Randerscheinung der Finanzwelt, dringen damit in die Hallen der Wall Street ein.

Analysten: Mehr wert als jeder traditionelle Börsentreiber

Analysten trauen Coinbase eine Bewertung von mehr als 100 Milliarden Dollar (84 Milliarden Euro) zu. Damit wäre der Krypto-Handelsplatz mehr wert als jeder traditionelle Börsenbetreiber weltweit. Zum Vergleich: Die Nasdaq, an der Coinbase seine Aktien per Direktplatzierung – also ohne teure Begleitung durch Investmentbanken und ein vorheriges Preisbildungsverfahren – listen lässt, hat derzeit einen Börsenwert von 26 Milliarden Dollar. Die Nasdaq setzte am Dienstag (Ortszeit) einen Referenzpreis von 250 Dollar für die Coinbase-Aktien an.

Nikolaus Jilch von der Wieder Denkfabrik “Agenda Austria” unterstreicht in einem Beitrag auf der Plattform “brutkasten”: “Coinbase hat rund 50 Millionen Kunden – viermal so viel wie die Aktien-App Robinhood. Coinbase ist nach nur wenigen Jahren im Geschäft so etwas wie ein household name.” Das Startup ist schon vor Jahren zum ersten Krypto-Giganten aufgestiegen.

Bitcoins Rekordjagd setzt sich fort

Für Bitcoin könnte der Zeitpunkt kaum günstiger sein. Nach einem permanenten Anstieg im vergangenen Jahr, fing die Bitcoin-Rekordjagd im Jänner 2021 erst so richtig an, als Tesla-Chef Elon Musk mehr als 90.000 Bitcoins kaufte. Mittlerweile akzeptiert Tesla Bitcoin auch als Zahlungsmittel. Er ist nicht der einzige.

“Die großen Banken und Kreditkartenfirmen sind auf den Bitcoin-Zug aufgesprungen”, unterstreicht Jiilch. “Der Börsegang wird dem die Krone aufsetzen. Ja, wir haben Futures, ETFs in Kanada, Firmen wie Microstrategy, die massenweise Bitcoin kaufen und Hedgefonds, die schon in Bitcoin investiert haben. Aber dennoch: Der Börsegang von COIN (so das Kürzel) wird den Moment markieren, in dem Bitcoin an der Wall Street aufschlägt. Endgültig.”

Das Bitcoin-Fieber hat mittlerweile auch die Wall Street erfasst.APA/AFP/KAREN BLEIER

“Die Krypto-Ökonomie beginnt gerade erst”, verspricht Coinbase-Mitgründer und Vorstandschef Brian Armstrong Anlegern vor dem Börsengang. Tatsächlich befindet sich sein Unternehmen auf der größten Erfolgswelle seit der Gründung im Jahr 2012. Beim Umsatz rechnet Coinbase für die drei Monate bis Ende März mit 1,8 Milliarden Dollar, auch dieser Wert würde das Gesamtergebnis von 1,3 Milliarden Dollar aus dem Vorjahr deutlich übertreffen. Die Nutzerzahlen stiegen während der jüngsten Krypto-Rallye kräftig und lagen zuletzt bei 56 Millionen. Mit dem Quartalsbericht gelang es Coinbase, vor dem Börsengang ein beeindruckendes Rufzeichen zu setzen.

Extreme Schwankungen möglich

Zwischen dem Höhenflug von Coinbase und Bitcoin besteht freilich eine Wechselwirkung. Was bedeutet: Sinkende Kursen für Bitcoin werden auch Coinbase weh tun. Coinbase-Chef Armstrong selbst macht keinen Hehl daraus, dass der aktuelle Höhenflug keine besonders zuverlässigen Aussagen über die Zukunft zulässt. Die Profitabilität des Unternehmens steht und fällt mit den Kursen und Handelsvolumen von Krypto-Währungen wie Bitcoin, da es in erster Linie an Gebühren verdient. So gesehen gebe es eine “immanente Unberechenbarkeit”, wie Coinbase selbst einräumt. In der Vergangenheit war das Geschäft extremen Schwankungen unterworfen.

Während des Krypto-Crashes im Jahr 2018 etwa, als der Bitcoin-Preis um über 70 Prozent abstürzte und der anderer Cyber-Währungen wie Ethereum noch stärker, brach auch das Geschäft von Coinbase ein. Auch das Folgejahr 2019, als die meisten Krypto-Anlagen vor sich hindümpelten, war für Coinbase wenig lukrativ und wurde mit einem Minus von 30,4 Mio. Dollar abgeschlossen. 2020 setzte dann die große Rallye ein, und die Transaktionserlöse stiegen um 137 Prozent.

Armstrong ist sich der Risiken bewusst: “Wir könnten Geld verlieren”, warnt er Investoren. Ziel des Unternehmens sei es derzeit, in etwa am “break even” zu operieren, also an der Gewinnschwelle. Coinbase habe sich jedoch immer schon langfristig orientiert und gehe davon aus, dass die Krypto-Branche ihr Potenzial erst in Zukunft voll entfalte. “Wir suchen nach langfristigen Investoren, die an unsere Mission glauben”, erklärt Armstrong.

Das Damoklesschwert eines Bitcoin-Verbots

Sämtliche Kryptoträume könnte ein Bitcoin-Verbot zum Platzen bringen. Jesse Powell, der Chef des Coinbase-Rivalen Kraken, warnte kürzlich im Finanzsender CNBC vor einem “Durchgreifen” von Regierungen gegen digitale Währungen.

Nikolaus Jilch hält das aber für wenig wahrscheinlich: “Ein Land, das Bitcoin verbietet, bremst nicht nur den Kapitalaufbau der Investoren aus – von denen es inzwischen viele Millionen gibt, die alle wählen dürfen. Es bremst auch die Innovation in der Wirtschaft aus.” Und: “Wie soll ein Verbot dann aussehen? Warum sollte Washington seine eigene Finanzindustrie ausbremsen, während sie gerade einen Innovationsschub mitmacht? Wir dürfen nicht vergessen: Die USA sind so etwas wie die Heimat des Kapitalismus. Im Finanzbereich die Führungsrolle zu verlieren, würde den Status Amerikas in der Welt bedrohen.” (APA/Red)