Der Paragraph 166 der Strafprozessordnung birgt Sprengstoff für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), sagt der ehemalige “Presse”-Chefredakteur Andreas Unterberger in seinem Blog “Tagebuch”. Dieser Paragraph könnte der WKStA noch massive Probleme bereiten und dürfte ihr jetziges Agieren bis zu einem gewissen Grad erklären. “Hochrangige österreichische Strafrechtsrichter” hätten ihn in persönlichen Gesprächen auf jenen Paragraphen hingewiesen, sagt Unterberger. Auch noch andere brisante Hinweise habe er von Strafrechtsexperten erhalten, aber dieser sei besonders “explosiv”.

"Strategischer Einsatz von bloßen Erkundungsbeweisen ist illegales Produzieren von Beweismitteln"

In diesem § 166 geht es um nichts geringeres als ein “Beweisverbot”: Bestimmte Beweise sind demnach unter bestimmten Bedingungen nichtig und dürfen in einem Verfahren nicht einmal erwähnt werden. Gemäß dem Gesetzestext sind Aussagen eines Beschuldigten, Zeugen und Mitbeschuldigten “nichtig” und dürfen “nicht als Beweis verwendet werden”, sofern sie unter anderem “durch unzulässige Vernehmungsmethoden, soweit sie fundamentale Verfahrensgrundsätze verletzen, gewonnen wurden”.

Gemäß den Spitzenjuristen, die namentlich nicht genannt werden wollen, gilt diese Bestimmung nicht nur für Aussagen, sondern für sämtliche Beweisergebnisse – also auch Chats – “infolge der Analogiezulässigkeit im Verfahrensrecht”. Und das könnte durchaus zutreffen. Unterberger zitiert einen Juristen: “Strategischer Einsatz von bloßen Erkundungsbeweisen ist nichts anderes als illegales Produzieren von Beweismitteln, die unter Nichtigkeitssanktion steht. Eine Ermittlungsstrategie, die auf die Suche nach Zufallsfunden hinausläuft, ist nichts anderes als die Zufluchtnahme zu Erkundungsbeweisen, somit als illegal unzulässig.”

"Die WKStA dürfte befürchten, dass man gegen die Personen keine rechtlich verwertbaren Beweise hat"

Diese Bestimmungen würden Anwendung finden, “unabhängig davon, ob bei diesen Erkundungsbeweisen überhaupt noch jemals Beweise für eine Mittäterschaft von Sebastian Kurz bei den mutmaßlichen Taten des Thomas Schmid auftauchen. Denn in der Korruptionsstaatsanwaltschaft dürfte man inzwischen befürchten, dass man auch gegen die anderen derzeit an den Pranger gestellten Personen gar keine rechtlich verwertbaren Beweise in Händen hat, weshalb man verzweifelt nach echten, verwendbaren Beweisen sucht.”

Der § 166 macht Andreas Unterberger zufolge “erstmals wirklich verständlich, warum die Staatsanwälte jetzt so verzweifelt nach echten Beweisen zu suchen begonnen haben”. Er erwähnte etwa immer wieder ausgestreute, “kaum versteckte Lockangebote”, damit “sich doch (endlich) ein ‘Kronzeuge’ finden möge, der echte Beweise liefern könnte”. Deswegen werde ständig “als offenbares Bedrohungsszenario ausgestreut …, dass man ja noch gar nicht alle Chats des Thomas Schmid ausgewertet hat (was besonders skurril ist, weil das Lesen von beschlagnahmten Chats höchstens eine Woche dauern kann).”

Andreas Unterberger bemerkt gegen Ende seines Kommentars ebenso: “All diese Dinge sind zwar für Spitzenjuristen klar. Aber der ÖVP eher nicht. Denn diese hat seit den Zeiten eines Michael Graff, eines Andreas Khol und eines Wolfgang Schüssel absolut keine juristische Kompetenz in ihren Reihen. Sie holt sich auch keine aus den Reihen der vielen hochqualifizierten bürgerlichen Rechtsanwälte.”