Wien Energie – zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Wien – korrigierte noch Sonntagabend sämtliche Medienberichte: „Nein, Wien Energie ist nicht insolvent/pleite“, erklärte es auf Twitter. Und „Wien Energie & die Wiener Stadtwerke sind solide, wirtschaftlich gesunde Unternehmen mit bester Bonität.“ Mehrfach wurde auch bekräftigt: Weiterhin könne die Versorgung der zwei Millionen Kunden sichergestellt werden.

Seit Juli war Ludwig über finanzielle Engpässe informiert

Schon einen Tag später jagt eine Enthüllung die nächste, und jede widerspricht von neuem der öffentlichen Darstellung.

Zunächst hat sich der Verdacht sämtlicher Energieexperten bewahrheitet: Wien Energie ist nicht über Nacht in Geldnöte geschlittert. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der sich seit Auffliegen des Skandals auf Tauchstation befindet, ist in diesem Sommer bereits zwei Mal für das stadteigene Unternehmen eingesprungen. Bereits im Juli (!) hat er per Notverordnung der Wien Energie erstmals 700 Millionen Euro überwiesen. Das tat er in der Folge noch ein weiteres Mal – ohne davon die Öffentlichkeit zu informieren.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigt sich seit Auffliegen des Skandals nicht in der Öffentlichkeit.

Kein Gas, kein Strom, ein kalter Winter und Blackout-Gefahr

Mittlerweile sind darüber hinaus Unterlagen der Wien Energie für die Gespräche mit dem Finanzministerium aufgetaucht. Sie liegen dem „Kurier“ und sprechen eine gänzlich andere Sprache als die Versicherungen, mit denen das Unternehmen die Öffentlichkeit beschwichtigt. Manches darin klingt fast nach einer Drohung. Die Kurzfassung: Wenn der Bund über Nacht kein Geld beisteuert, kann Wien Energie weder Gas noch Strom an zwei Millionen Kunden liefern, die Blackout-Gefahr wächst und es droht ein eiskalter Winter in Wien zu werden.

Ludwig schickte Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ, im Bild) vor, der in "Wien Heute" neuerlich erklärte: Zum Glück sei die Energieversorgung gesichert.APA/EVA MANHART

Konkret werden unter der Überschrift „Konsequenzen bei Nicht-Einrichten des Schutzschirmes“ mehrere Punkte aufgelistet. Wien Energie könnte an der Börse „keine weiteren Geschäfte tätigen“ heißt es zunächst, des weiteren würden „alle noch offenen Positionen geschlossen (verkauft)“, es drohe ein „Schneeballeffekt auf die gesamte Branche“.

De facto droht ein Zusammenbruch der Netze

Und dann wird es wirklich dick. Das Papier selbst schreibt: Die weiteren Folgen sind „fatal“. Wien Energie könne die Verpflichtungen gegenüber den Kunden „nicht mehr einhalten und zwei Millionen Strom- und Gaskunden wären zu kündigen, da sie nicht mehr belieferbar sind”. Ebenso wäre „keine Gasabsicherung für Winter … mehr möglich“. De facto drohe der Zusammenbuch der Netze. „Keine Gasabsicherung … bedeutet keine Zurverfügungstellung von Leistungen in der Netzreserve und erhöht somit das Blackout Risiko deutlich”, heißt es im Papier.

Der Auszug kursiert mittlerweile auf Twitter

Staatshilfe soll das Doppelte des Vorjahresumsatzes betragen

Wie viel Geld Wien Energie mit einem Mal genau benötigt, steht noch nicht fest – ob sechs oder neun Milliarden Euro. Fakt ist: Bereits sechs Milliarden Euro Staatshilfe wären das Doppelte des Jahresumsatz des Vorjahres. Im Finanzministerium denkt man über einen Milliardenkredit nach, der über die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBF) abgewickelt werden könnte.