Der Herr mit dem grauen Haar wird in Deutschland auch “008” genannt: Bernd Schmidbauer ist ein Top-Experte in der Geheimdienst-Thematik, er organisierte Geiselbefreiungen, kennt die großen Player der Nachrichtendienste und seine Kontakte zu den Größen im arabischen Raum sind legendär. Jetzt sagte der frühere CDU-Staatsminister und Ex-Geheimdienstkoordinator als Zeuge vor dem Wirecard-Untersuchungsausschusss in Berlin aus: “In wenigen Jahren werden wir feststellen, dass wir die Falschen gejagt haben. Das liegt daran, dass man an die großen Kaliber nicht rankommt.”

Bei den aktuellen Untersuchungen und Ermittlungen würden “nur kleine Fische” auftauchen, spricht Schmidbauer auch konkret über Jan Marsalek: Diesen aus Wien stammenden mutmaßlichen Milliarden-Betrüger hat er auch einmal persönlich in dessen Residenz in der Münchner Prinzregentenstraße getroffen. Seine Meinung über den mit einem Privatjet via Baden geflüchteten Wirecard-Manager: “Marsalek hat sich überschätzt. Etwa auch als er militärisch in den Libyen-Krieg einsteigen wollte. Ich glaube, das war einer der Punkte, wo er zu sehr am Rad der Weltgeschichte drehen wollte.”

"Geheimdienste wollten Wirecard für sich nutzen"

Die “wahren Profiteure des Systems Wirecard” würden sich im Ausland befinden, erklärte Bernd Schmidbauer: Es sei bei Wirecard immer um Geldwäsche gegangen. Im ganz großen Stil. Und der deutsche Zahlungsabwickler, Finanzdienstleister und Prepaid-Karten-Vertrieb sei auch für “alle Geheimdienste interessant” gewesen, berichtete der frühere Staatsminister: “Jeder Dienst, der Einfluss hatte, war begierig, mit Marsalek zu reden. Alle hatten ihn auf dem Schirm.” Und die “Berliner Zeitung” zitiert Schmidbauer: “Die Nachrichtendienste wollten die extravagante Arbeit von Wirecard nutzen.”

Mister "008": Geheimdienst-Experte Bernd Schmidbauer.Thomas Bernhardt / Visum / picturedesk.com

Marsalek, der über Vermittlung von Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus auch einen Termin bei Ex-Vizekanzler HC Strache erhalten hatte, saß dann auch in den Büros zahlreicher politischer Entscheidungsträger. “Man muss sich doch fragen, warum jemand wie der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy zu einem Treffen nach München kommt, um an einem Abendessen mit dem Vorstand eins Dax-Konzerns – Wirecard – über Libyen zu sprechen”, erinnerte Bernd Schmidbauer an das Essen im Gourmet-Restaurant Käfer im April 2017, an dem auch Ex-ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel und der für sicherheitspolitsche Themen zuständige Bundesheer-Brigadier Gustav Gustenau teilgenommen haben.

Mit Wirecard hätten sich auch "Söldner bezahlen lassen können"

Bernd Schmidbauer berichtete auch Interessantes über den Nutzen des Wirecard-Systems für die Geheimdienste: Dass mit der Technologie Geldflüsse weltweit nachvollziehbar waren, sei “bei der Terrorabwehr und Terrorfahndung ausgesprochen hilfreich”. Allerdings hätte Wirecard auch “den Missbrauch als Teil des Geschäftsmodells angeboten”. Damit hätte der Dienstleister die Möglichkeit gewährt, problematische Zahlungen gleichzeitig abzuwickeln, sie zu verstecken und sie zu überwachen.

Im Zusammenhang mit Libyen wäre es so möglich gewesen, Söldner zu bezahlen, zitierte die “Berliner Zeitung” des früheren Staatsminister. Zitat Schmidbauer: „In Libyen waren Clearwater aus den USA, Wagner aus Russland, Söldner aus der Türkei – die alle mussten bezahlt werden.“ Dass der Wirecard-Manager noch immer in Russland lebe, daran hat der deutsche Geheimdienst-Experte seine Zweifel: Er könne nicht einmal sagen, ob Marsalek überhaupt noch lebe. Der Geheimdienst-Mann wörtlich: „Auch aus Minsk fliegen Flugzeuge nach Virginia und auf die Philippinen.“

Zur Erinnerung: Auch der weiterhin in Untersuchungshaft sitzende Ibiza-Detektiv Julian H. hat sich zweimal mit Jan Marsalek in Berlin getroffen. Der eXXpress berichtete exklusiv über diese Meetings in einem Luxushotel. Der Haupttatverdächtige im Ibiza-Video-Krimi soll Marsalek seinen “Bank-Kumpel” genannt haben . . .

Wurden auch Söldner in Libyen über das Wirecard-System bezahlt?