Eigentlich dient die Filmindustrie nur der Unterhaltung – könnte man meinen. Doch das ist natürlich nicht so, wie jeder weiß. Was wir täglich im Fernsehen und in den Kinos sehen, beeinflusst unser Denken und Verhalten. Das belegen Studien, das wissen auch Politiker und Lobbys. Die Amerikaner verbringen im Schnitt drei Stunden vor dem Fernseher. Das prägt.

„Will & Grace“ – erstmals 1998 auf NBC zu sehen – war die erste populäre Sitcom mit zwei schwulen Hauptdarstellern. 14 Jahre später nannte der damalige Vizepräsident Joe Biden die Serie als einen Grund für die Unterstützung der Gleichstellung der Ehe durch die Amerikaner.

Über Film und Fernsehen wollen mittlerweile auch Klimaschützer die Massen erreichen. Deshalb bringt das „Climate Ambassadors Network“ (CAN) jährlich Tausende von Medienschaffenden auf einer Konferenz mit Klimaaktivisten und politischen Entscheidungsträgern zusammen. Die „interaktiven Workshops“ sollen „einen kulturellen Wandel in der Kreativbranche hin zu kollektivem Handeln vorantreiben“, heißt es auf der Homepage.

„The Day after Tomorrow“ gilt als einer von wenigen Block Busters bisher, die den Klimawandel thematisieren.

Der Klimawandel soll künftig auch Mafia-Bosse und Liebespaare betreffen

Zum CAN gehört die Fernsehautorin und Klimaaktivistin Ali Weinstein (28). Ziel von CAN ist es, „jeden Teil der Industrie mit Klimawissen zu infiltrieren“, verrät Weinstein in einem Workshop. „Hollywood hat einen enormen kulturellen Einfluss, und wenn wir also in Hollywood einen Wandel einleiten, können wir auch viele andere Branchen verändern“, wird sie in der US-Zeitschrift „The Atlantic“ zitiert.

Nun sei es an der Zeit, mehr und vielfältigere Klima-Geschichten zu erzählen, argumentieren Weinstein und ihre Mitkämpfer. Hier gebe es viel zu tun. Denn allzu viel klimarelevanten Inhalt sieht man noch nicht in den Kinos. Eine Untersuchung der University of Southern California und des gemeinnützigen Beratungsunternehmens „Good Energy Story Agency“ ergab: Nur 2,8 Prozent der 37.453 Film- und Fernsehdrehbücher, die in den USA ausgestrahlt und zwischen 2016 und 2020 geschrieben wurden, enthielten Schlüsselwörter zum Klimawandel.

In einer Befragung bat „Good Energy“ 2000 Menschen, Beispiele für Filme oder TV-Sendungen zum Thema Klima zu nennen. Die häufigsten Antworten waren der Streifen „The Day After Tomorrow“, der fast 20 Jahre alt ist, und „2012“, in dem es eigentlich um das Ende der Welt geht, nicht um den Klimawandel.

Der Katastrophenfilm „2012“ sorgt auch für Aufsehen. Doch der Klimawandel spielt darin nur am Rande eine Rolle.

Unterhaltungsindustrie machte bereits Zusagen auf Klimakonferenz in Glasgow

Die „Good Energy Story Agency“ will Drehbuchautorenn dabei helfen, noch mehr „Klima-Storys“ zu entwickeln. Zu diesem Zweck hat die Agentur ein „Good Energy Playbook“ erstellt, eine Art Leitfaden für Autoren, um den Klimawandel in ihre Drehbücher zu integrieren. Ein wichtiges Anliegen: Es sollen nicht immer nur apokalyptische Geschichten sein. So könnte zum Beispiel eine Liebeskomödie in einem Skigebiet spielen, dessen Geschäftsmodell wegen fehlenden Schnees nicht mehr funktioniert. Ein heißerer Sommer wiederum könnte die Müllentsorgung der Mafia belasten.

Schon bald dürfte man Nägel mit Köpfen machen: Auf der internationalen Klimakonferenz, die Ende 2021 in Glasgow stattfand, unterzeichneten zwölf der größten CEOs der britischen und irischen Unterhaltungsindustrie eine Zusage für Klimainhalte. Darüber hinaus treffen sich Vertreter der großen US-Studios bereits regelmäßig, um darüber zu diskutieren, wie man Nachhaltigkeit auf dem Bildschirm besser darstellen kann.

Auf Diversity wird bei der Oscar-Verleihung bereits geachtet, auf den Klimawandel – noch – nicht.

Auf Diversity legt man bei den Oscars bereits Wert

Nun, man darf gespannt sein, was den Filmstudios in den kommenden Jahren so alles einfällt. Wenn es um Diversity und Minderheiten geht, sind sie schon weiter. Wer die Oscar-Preisverleihung verfolgt, der weiß: Ohne Diversitäts-Kriterien geht hier gar nichts mehr. Schon lange haben Schauspieler, die gehörlose, homosexuelle, blinde oder aus rassistischen Gründen diskriminierte Menschen darstellen, bessere Chancen auf die begehrte Trophäe, sofern sie nicht selbst einer Minderheit angehören.

Im Jahr 2020 hat die Filmakademie nachgelegt. Per Verordnung wurde beschlossen: Am Rennen um den besten Spielfilm dürfen nur Filmproduktionen teilnehmen, die in mindestens zwei von vier Kategorien den neuen Diversitäts-Kriterien entsprechen. Das bedeutet: Hauptdarsteller oder wichtige Nebendarsteller müssen einer ethnischen oder sexuellen Minderheit angehören. Sofern die Hauptdarsteller weiß und heterosexuell sind, müssen mindestens 30 Prozent der Darsteller von Nebenrollen entweder weiblich sein oder ethnischen bzw. sexuellen Minderheiten angehören. Die Filmhandlung soll darüber hinaus Anliegen unterrepräsentierter Gruppen enthalten.

Mal sehen, was sich die Hollywood-Autoren als nächstes einfallen lassen werden. Ob der Klimawandel auch für ethnische Konflikte verantwortlich sein wird?