“Wenn man kaum Budget hat, den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten oder zu renovieren, gilt es zu sparen: Möglich ist das bei teurer Energie, von der unsere Gebäude zu viel verbrauchen”, erklärte Jurij Bowa, Bürgermeister von Trostjanez in der Region Sumy. Angesichts möglicher Raketenbeschüssen auf Wärmekraftwerke, die zu großflächigen Stromausfällen führen könnten, seien aber auch die Errichtung von Solaranlagen auf Dächern öffentlicher Gebäude relevant, sagte er. “Das bedeutet eine garantierte Stromversorgung in diesem Objekt, in dem auch Menschen beherbergt werden können”, erläuterte Bowa und verwies gleichzeitig auf die von Präsident Wolodymyr Selenskyj ausgegebene Devise “Build Back Better” (“Besser Wiederaufbauen”, Anm.).

Der Lokalpolitiker war in Österreich aber nicht nur an Green Tech interessiert: Mit in Wien aus Umweltschutzgründen ausrangierten Bussen oder Müllwagen wäre sehr geholfen, sagte er. Bei ihrem Abzug Ende März 2022 hatten die russischen Truppen praktisch das gesamte bewegliche Eigentum der Stadtverwaltung mitgehen lassen.

Zwei Schulen sind verloren

Obwohl die 20.000-Einwohner-Stadt Trostjanez besonders stark an der Besetzung im Frühjahr 2022 gelitten hat, teilt die Stadt grundsätzliche Probleme mit vielen Kommunen im östlichen Teil der Ukraine: “Die Budgetsituation in meiner Stadt ist sehr schwierig, von einer Weiterentwicklung kann keine Rede sein und es geht um das Überleben im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten”, erzählte auch der Bürgermeister von Nischyn in der Region Tschernihiw, Oleksandr Kodowa. Mit Hilfe internationaler Partner könnten jedoch vereinzelt Solarkraftwerke errichtet oder Luftschutzbunker gebaut werden, erklärte er. “Ich habe 17 Schulen: Vier arbeiten nicht, weil es keinen Bunker gibt. Kinder können somit nicht in die Schule gehen”, sagte Kodowa.

Bei ihr gebe es derzeit gar keine funktionierenden Schulgebäude, klagte ihrerseits die amtsführende Bürgermeistern von Apostolowe in der Region Dnipropetrowsk, Lesja Michno. “Am 22. Juli 2022 haben russische Raketen unsere drei Schulen zerstört, in die zuvor 2000 Kinder gegangen waren”, erzählte sie. Bei zwei Schulen sei keine Wiederherstellung mehr möglich, beim städtischen Lyzeum habe eines von zwei Gebäuden den Beschuss überstanden. In Ermangelung von Bunkern sei zudem kein Kindergartenbetrieb möglich, die Stadt beschäftige sich derzeit mit der Errichtung dieser Räume. Apostolowe befindet sich unweit zur 2022 heftig umkämpften ukrainischen Region Cherson.

Die meisten Einwohner sind zurück

Massive Auswirkungen für die Stadt und ihre etwa 14.000 Einwohner hatte im vergangenen Jahr zudem die Zerstörung des Kachowka-Staudamms. “Wir hingen vollständig von Wasser aus dem Stausee ab”, erzählte die Ortschefin. Dass in Folge monatelang kein Wasser floss, habe zu massiven Schäden bei alten metallischen Wasserrohren geführt, erläuterte Michno. Gemeinsam mit internationalen Partnern hoffe sie nun, ein langjähriges Projekt zur Modernisierung der Wasserversorgung zu starten.

Apostolowe, Nischyn und Trostjanez verbindet zudem, dass die meisten Einwohnerinnen und Einwohner, die 2022 anfänglich geflohen waren, wieder zurückgekehrt sind. “Laut meiner Statistik besuchen von 8.000 Kindern 700 Schulen im Ausland”, sagte Nischyns Bürgermeister Kodowa. Seine Kollegen erzählten zudem von einer beträchtlichen Zahl an Binnenflüchtlingen, die ihre Heimatorte im derzeit von Russland besetzten Gebieten verlassen hätten und jeweils in besonderem Ausmaß von humanitären Hilfslieferungen abhängig seien. Keine Hoffnung zeigten die Ortchefs indes in Bezug auf ein baldiges Kriegsende. “Der Krieg hört dann auf, wenn Russland aufhört, jener böser, militarisierter und undemokratischer Staat zu sein, der es gerade ist.”, sagte Bürgermeister Bowa. Bis es zu dieser Veränderung kommen werde, würde die Ukraine wie Israel auch stetig mit Raketen beschossen werden, zeigte er sich wenig optimistisch.