“Wir rechnen bis 2030 damit, dass wir Flottenbetriebe sehen werden und auch Privat-Pkw, die streckenweise autonom fahren”, sagte VW-Konzernchef Herbert Diess im Interview der Nachrichtenagenturen dpa und dpa-AFX. “Da wird es Rückschläge geben, aber das sind immer noch acht, neun Jahre. Es kann auch ein bisschen früher sein, es kann auch ein bisschen später sein. Es fließen sehr große Entwicklungsressourcen da hinein, weltweit.”

Es gibt ethische Fragen zu klären

Welche Regeln einmal genau für das autonome Fahren als mögliche Alltagstechnologie gelten sollen, ist in vielen Ländern zurzeit noch Gegenstand kontroverser Diskussionen. Die Frage beschäftigt Politiker und Juristen – aber auch Ethiker, die sich mit dem Dilemma befassen, welchen anderen Verkehrsteilnehmern ein computergelenktes Auto bei einem Unfall zuerst ausweichen soll. Die Industrie stellt sich auf eine Vielzahl national unterschiedlicher Richtlinien ein.

Die Fahrzeugdaten-Nutzung selbst wird ebenfalls stärker zum Thema. Diess stellte klar: “Daten gehören in Europa zunächst unseren Kunden – diese entscheiden, was damit passiert.” Bei Informationen, die etwa zur Erkennung von Stauenden oder Fahrbahnglätte wichtig sind, werde “jede Gesellschaft auch dafür sorgen, dass diese öffentlich sind – die werden wir sicherlich teilen”. Darüber hinaus müsse man die Frage beim Training der Systeme für das autonome Fahren berücksichtigen.

Vernetzung von Autofahrern, Autobauern und Serviceanbietern erfordere die Auseinandersetzung mit verschiedenen Wertvorstellungen. “In China gelten Daten als Gemeingut, die dem Volkswohl zur Verfügung stehen. In Amerika werden Daten überwiegend als Wirtschaftsgut gesehen, sind nicht öffentlich, sondern bleiben bei den Unternehmen, bei Google, bei Apple, um dort dem Geschäftsmodell zu dienen. Und in Europa haben wir sehr stark den Fokus auf der Datenhoheit des Nutzers.”

Angebot an E-Modellen als große Chance

Der Ausbau des Angebots an E-Modellen in den Vereinigten Staaten sei sechs Jahre nach “Dieselgate” eine große Chance. “Mit der beginnenden Elektrifizierung sind wir in einer Situation, in der jeder mit einem weißen Blatt Papier beginnt”, erklärte Diess. Angepeilt würden zehn Prozent Marktanteil. Mit dem Standort Chattanooga sei man der erste Hersteller, der ein Werk auf E-Fertigung umstelle. “Von daher sollte es uns schon gelingen, uns in diesem Umfeld neu zu positionieren. Wir werden die US-Strategie in den nächsten Monaten überarbeiten.”

Auf strengere Regeln zum CO2-Ausstoß sei man “optimal vorbereitet”. Der nach Präsident Joe Biden benannte Infrastruktur-Plan werde auch jenseits des Atlantiks noch eine Verschärfung bringen. “Wir sind mit unserer Plattformstrategie für die Elektrofahrzeuge global sehr gut aufgestellt – sowohl für China und die USA als auch für Europa.”

Die Entwicklung fertiger Dienste zur breiteren Nutzung dürfte allerdings noch einige Zeit dauern. Auf dem wichtigen US-Markt will Volkswagen den Hochlauf der E-Mobilität und Digitalisierung nutzen, um der Konkurrenz Marktanteile abzujagen. (apa/red)