Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat sich seit Beginn seiner Amtszeit öffentlichkeitswirksam für Muslime und islamische Gruppierungen stark gemacht, und zwar mit Nachdruck. Dennoch erntet er dafür nicht immer Dankbarkeit. Auf massiven Widerstand stieß in diesem Jahr sein LGBTQ-Lehrplan. Kürzlich wurde Trudeau in einer Moschee in Toronto sogar ausgebuht, weil er sich nicht klar gegen Israel stellte.

Seit dem beispiellosen Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten am 7. Oktober befindet sich Israel im Krieg mit der palästinensischen Terrororganisation. In jener Moschee lagen die Sympathien aber klar auf der Seite der Führung im Gazastreifen.

Die Hamas-Terrorkämpfer sind für den schwersten Terrorangriff auf Israel verantwortlich.APA/AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Hamas begrüßt Kanadas Einsatz für „einen nachhaltigen Waffenstillstand“

Immerhin: Positiv äußerte sich bezüglich Trudeau nun Ghazi Hamad vom politischen Büro der Hamas im Libanon. In einem Video bedankte sich Hamad ausdrücklich bei „Kanada, Australien und Neuseeland“, weil sie „einen nachhaltigen Waffenstillstand im Gazastreifen“ unterstützen. „Wir begrüßen diese Entwicklungen und betrachten sie als einen Schritt in die richtige Richtung, um die faschistische israelische Regierung weltweit zu isolieren und die böse Besatzung in unserer modernen Zeit zu beenden.“

Ghazi Hamad hatte zuvor, am 24. Oktober, gegenüber einem libanesischen TV-Sender erklärt: Die Hamas werde das Massaker vom 7. Oktober mehrmals wiederholen, bis Israel vernichtet sei. Es werde „ein zweites, drittes und viertes Mal geben“. Die Palästinenser seien „stolz darauf, Märtyrer zu opfern“, schließlich seien sie die Opfer der Besatzung. Als die Nachrichtensprecherin fragte, ob der Hamas-Sprecher mit einem „Ende der Besatzung“ die „Vernichtung Israels“ meine, antwortete dieser: „Ja, natürlich.“

Trudeau attackiert mehrfach Islamophobie in Kanada

Trudeau bemüht sich seit Jahren um einen bewusst islamfreundlichen Kurs. Gerne verweist er auf die Wichtigkeit von Diversität und Meinungsvielfalt – zumindest wenn es um jene Gruppierungen geht, die ihm am Herzen liegen, und dazu gehören auch Muslime.

Vor zwei Jahren unterstrich der Ministerpräsident bei einem nationalen Gipfel mit Regierungsbeamten und islamischen Persönlichkeiten: „In Kanada gibt es keinen Platz für Islamophobie. Niemals.” Und: „Wir haben bereits echte Maßnahmen ergriffen, um muslimische Kanadier zu schützen und Hass überall dort auszumerzen, wo er sein hässliches Gesicht zeigt. Wir haben Kanadas erste Anti-Rassismus-Strategie entwickelt und im Unterhaus einen Antrag zur Verurteilung von Islamophobie verabschiedet.“

Muslime, Homosexuelle, Juden: Politik für Minderheiten kann kompliziert werden, wie Justin Trudeau zunehmend spürt. Offene Kritik übt er meist nur an den Rechten.APA/AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Muslime nicht immer dankbar: Proteste wegen LGBTQ und Israel

Allerdings macht eben diese Community Trudeau zuweilen das Leben schwer. Der kanadische Politiker legt nämlich ebenso auf LGBTQ-Rechte wert. Doch gegen diese Geschlechterideologie in den Schulen gab es heuer massiven Widerstand: Muslimische Schüler wurden von ihren Eltern und von islamischen Vertretern angehalten, die entsprechenden Schulstunden zu schwänzen. In lautstarken Protesten erklärten kanadische Muslime: „Lasst unsere Kinder in Ruhe“.

Im Juli tauchte ein Video von einem Gespräch zwischen Trudeau und einem empörten Muslim auf. Darin sagte der Premierminister sinngemäß: Schuld an den Protesten unter Muslimen seien politisch rechte Kräfte in den USA. „Es gibt eine Menge Fehlinformationen und Desinformationen von Menschen in den sozialen Medien, die vor allem von der amerikanischen Rechten  angefeuert werden und eine Menge Unwahrheiten darüber verbreiten, was tatsächlich … im Lehrplan steht“, erklärte er im Video.

Diese rechten Kräfte wollten einen Keil zwischen die muslimische Gemeinschaft treiben. Sie verhinderten, dass Kanada zu einem der Orte wird, „an denen wir die muslimische Gemeinschaft mehr als alle anderen unterstützen und verteidigen.“ All die bösen Fake News über die Lehrpläne stammten von „der extremen Rechten, die sich konsequent gegen die Rechte der Muslime gestellt haben“.

Für die anti-israelischen Proteste und die sich häufenden antisemitischen Angriffe in Kanada konnte Trudeau bisher nicht so einfach die politische Rechte zu Verantwortung ziehen. Das dürfte seine Situation zusätzlich erschweren.