Insbesondere Saufen und Randalieren am Karlsplatz und das Skandieren von Losungen wie “Ganz Wien hasst die Polizei”, ist ein Minderheitenprogramm. Die Polizei ist bei der Jugend sehr beliebt und gehört neben dem Gesundheitswesen, den Gerichten und dem Bundesheer zu den vier Institutionen unseres Staates, denen sie am meisten vertraut.

Diese Erkenntnis ist Allgemeingut, der linksliberalen Presse aber völlig egal. Ungerührt von der Wahrheit, beschreibt sie die Jugend als eine Ansammlung von sich langweilenden hedonistischen Party-Leuten mit starker Abneigung gegen die Ordnungskräfte. Nicht wie die Welt ist, treibt den Meinungsjournalismus um, wie sie seiner Meinung nach sein sollte, das motiviert sein Tun.

Das fatale Abgrenzungsproblem der Regierungsparteien

Die in Wien regierenden Parteien haben offensichtlich ein Abgrenzungsproblem gegenüber Linksradikalen und Autonomen, die am Karlsplatz die Rädelsführer des Aufruhrs waren. Verständlich, dass der SPÖ-Bürgermeister zurückhaltend reagiert, wenn seine Parteijugend gemeinsam mit anderen extremen Linken zum Protest gegen das von der Polizei ausgesprochene präventive Platzverbot aufmarschiert. Und sein progressiv-neoliberaler Vize beruft sogleich einen Runden Tisch ein, um den linken Randalierern und ihren Sympathisanten seine Wertschätzung persönlich ausdrücken zu können. Wenn man dem ungeliebten türkisen Innenminister einen mitgeben kann, ist für die Rathauskoalition auch die linksradikale Wiener Polit-Szene ein willkommener Partner.

Auf wen die SPÖ und die Neos, die auch im Kasperltheater des Ibiza-Untersuchungsausschuss perfekt harmonieren, wieder einmal vergessen, das ist die große Mehrheit der normalen jungen Menschen, die Lehrlinge, die Arbeiter und Angestellten, die ordentlichen Studierenden, die notleidenden sozialen Unterschichten. Im Gegenteil, die beiden Parteien hofieren weiter primär Minderheiten wie Migranten, die LGBTQ+-Szene, organisierte AKP-nahe Muslime und radikale Feministinnen, die am liebsten alle „alten weißen Männer“ aus der Politik austreiben würden.

Die SPÖ auf dem Kurs der Selbstzerstörung

Die SPÖ profiliert sich weiter als die österreichische “Anti-Arbeiterpartei”, die Fluchtrouten öffnen will, um mehr junge Billigarbeitskräfte ins Land zu holen, die dann für die bildungsfernen Inländer am Arbeitsmarkt für ordentlichen Konkurrenzdruck sorgen. Und wenn man schon dabei ist, will man gleich auch noch 500.000 in Österreich lebende Ausländer einbürgern. Auf die Zustimmung der normalen Menschen treffen diese beiden Projekte nicht, aber den von akademisch gebildeten urbanen Privilegierten dominierten Führungsgremien der SPÖ ist das egal.

Die großangelegte Vertreibungsaktion der ehemaligen Kernwähler wird energisch fortgesetzt. Denen bleibt nur mehr die Hinwendung zur FPÖ oder die Wahlenthaltung. Aber auch die wachsende Zahl der Nichtwähler lässt die SPÖ kalt. Hauptsache man erhält sich die Macht, auch wenn wie bei der letzten Wien-Wahl fast 40 Prozent der Wahlberechtigten zu Hause geblieben sind, bei den ÖH-Wahlen sogar 84 Prozent. Wer bisher die “Stadt der Sehenden” von José Saramago für eine literarische Übertreibung gehalten hat, wird nun eines Besseren belehrt. Bei der ÖH-Wahl war die Zahl der Wahlverweigerer sogar größer als im Roman des Nobelpreisträgers. Gespannt kann man nun darauf warten, ob demnächst die Forderung nach einer Wahlpflicht kommt. Hätte auch etwas Gutes, denn dann wären zumindest die weltfremden Linken an den Unis weg vom Fenster.

Warum das Mitte-Rechts-Lager vor einem erneuten Aufschwung steht

Aufgrund der Lage ist es heute schon abzuschätzen, dass es über kurz oder lang wieder zu einem Aufschwung des Mitte-Rechts-Lagers in Österreich kommen wird. Ausgefuchste sozialdemokratische Analytiker, wie Natascha Strobl und Jörg Leichtfried, wissen auch ganz genau warum. Es liegt an der teuflischen Farbenpropaganda des Sebastian Kurz, der dadurch, dass er nicht nur das Haarband einer Impfärztin sondern auch die Trikots der österreichischen Fußballnationalmannschaft heimtückisch türkis einfärben lässt, dem Wahlvolk subliminal seine reaktionäre Ideenwelt ins Unbewusste einpflanzt.

Warum die Mitte-rechts-Parteien wirklich an die Macht kommen, kann man in Slavoj Žižeks Buch “Wie ein Dieb bei Tageslicht” nachlesen. Der wahre Grund ist ihre konsequente Politik für die Arbeiter- und Mittelklassen. So ist in Polen, nachdem die rechtspopulistische PiS die Regierung übernommen hatte, in kurzer Zeit die Armutsrate um 20 bis 40 Prozent gesunken, die Kinderarmut gar um 70 bis 90 Prozent und der Mindestlohn überstieg bald den Wert, den Gewerkschaften immer angestrebt hatten. Zudem wurde das Pensionsalter für Frauen von 67 auf 60 Jahre gesenkt, das der Männer auf 65 Jahre. Das Erfolgsgeheimnis der PiS war also kein Sprach- und Farbenhokuspokus, sondern eine Kombination aus Anti-Sparpolitik, Ordnungsversprechen, Verteidigung der nationalen Identität und Lösung des Migrationsproblems, also beinharte Interessenspolitik. Darüber sollten die versammelten Opfergruppen-Linken in Österreich einmal nachdenken.

Der Jugendforscher und eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier untersucht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Lebenswelt der Jugend und ihr Freizeitverhalten. Er kennt die Trends, vom Ende der Ich-AG bis zum neuen Hedonismus und Körperkult, bis zu Zukunftsängsten im Schatten von Digitalisierung und Lockdown. Heinzlmaier ist Mitbegründer und ehrenamtlicher Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung. Hauptberuflich leitet er das Marktforschungsunternehmen tfactory in Hamburg.