Sollten sich die Vermutungen bewahrheiten, wäre es für die Stadt Crailsheim in Baden-Württemberg eine Sensation: Auf einem Altar wurde möglicherweise ein frühes Werk von Albrecht Dürer entdeckt. Über Infrarot-Untersuchungen hofft man nun weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Die Vermutung ist nicht ganz neu.

Experten prüfen jetzt: War es Dürer?

“Es wäre ein Riesenschritt für die Dürer-Forschung”, sagt Matthias Weniger vom Bayerischen Nationalmuseum in München. Denn das würde ein neues Licht auf die Lehrjahre Dürers beim Nürnberger Maler Michael Wolgemut werfen.

Im Kirchen-Alltag blieb das Bildnis in den vergangenen Jahrzehnten eher unbemerkt. Der mehrere Meter hohe Flügelaltar steht die meiste Zeit aufgeklappt im Chor der evangelischen Johanneskirche, sodass hauptsächlich seine Festtagsseite zu sehen ist. Das mögliche Dürer-Gemälde befindet sich aber auf der Alltagsseite, ist also nur im zugeklappten Zustand zu sehen – also alle sieben Jahre für die Dauer der Passionszeit. Das ist sehr aufwendig. Mehrere Menschen müssen anpacken, um die Flügel des mehr als 500 Jahre alten Kunstwerks bewegen zu können.

Nach Überzeugung der Fachwelt stammt der um 1490 entstandene Hochaltar, der das Leben Johannes des Täufers und die Passion Christi darstellt, aus der Werkstatt von Dürers Lehrer Michael Wolgemut. Eine der farbprächtigen Szenen darauf zeigt den Henker mit dem Haupt von Johannes. Der Gesichtsausdruck, die muskulöse Statur, die elegante Beinstellung – all das sei unverkennbar Dürer, meint der Kunsthistoriker Manuel Teget-Welz von der Universität Erlangen. “Es gibt etliche Gemeinsamkeiten zu anderen Werken, was seine persönliche Handschrift erkennen lässt.”

Auch Weniger hält es für sehr wahrscheinlich, dass Wolgemut Teile des Bildes von seinem talentierten Lehrling malen ließ. “Ich bin ziemlich überzeugt, aber absolute Gewissheit ist auf dem Gebiet schwierig.” Für Dürer spreche auch die malerische Qualität, meint er. “Diese Tafel unterscheidet sich grundsätzlich von den anderen. Sie ist wirklich ganz großartig.”

Die nicht ganz neue Diskussion kam wieder 2016 auf, als die Stadt eine Fachtagung zu dem Altar veranstaltete. Dabei machte Weniger Detail-Fotos von dem möglichen Dürer-Gemälde, Teget-Welz verglich diese später mit anderen Dürer-Werken.

Dabei stellte er unter anderem fest, dass der Gesichtsausdruck des Henkers sehr stark einem Porträt ähnelt, das Dürer von seiner Mutter anfertigte. Auch die Maltechnik spreche dafür, dass es Dürer gewesen sei, der die Henkersszene teilweise schuf, meint Weniger.

Albrecht Dürer im Selbstporträt
Das Altarbild von Crailsheim (D)