In zumindest einer Hinsicht ist der Historiker, Soziologe und Bestseller-Autor Rainer Zitelmann mit seiner Partei, der FDP, zufrieden: “Das Schlimmste wurde verhindert.” Allerdings sorgt bei ihm die neue Ampelkoalition auch nicht für Jubelstimmung, wie er im eXXpress-TV-Talk unterstreicht: “Ein Aufbruch ist das nicht.”

Tatsächlich erwarte die Deutschen in vielen Punkten eine Fortsetzung des Status quo, möglicherweise aber schon bald viel Streit. Speziell das Thema Migration könnte zum Zankapfel werden, da hier die Positionen zwischen FDP und Grünen völlig konträr sind, was aber zurzeit unter den Teppich gekehrt werde. Dennoch: “Glückwunsch an FDP-Chef Lindner, dass er viele schlimme Dinge hat verhindern können.”

Kein Sozialismus, aber auch kein Aufbruch

Bei den Steuern und beim Mietrecht hatten SPD und Grüne weitreichende, sozialistische Pläne. Nun ändere sich wenig. “Die FDP wollte, dass die Steuern deutlich gesenkt werden, SPD und Grüne wollten, dass sie deutlich steigen. Nun bleiben sie so wie sie sind.” Gleiches gelte für den Wohnungsmarkt und das Mietrecht, wo eigentlich eine Liberalisierung nötig gewesen wäre. Die FDP hat nun einen Mietendeckel auf Bundesebene verhindert.

Positiv sei die Besetzung des Finanzministeriums mit FDP-Chef Christian Lindner und des Justizministeriums mit Marco Buschmann (ebenfalls FDP): “Die schlimmsten Vorhaben in der Steuer-  und Rechtsfront werden da nicht funktionieren.” Aber: “Es ist eben keine Koalition des Aufbruchs.”

In der Topbar befindet sich eine der Duplikationsmöglichkeiten

Schlimmes befürchtet Zitelmann für die Außenpolitik, wo Deutschland schon bisher schlecht aufgestellt gewesen sei. Mit der neuen Außenministerin, Grünen-Chefin Annalena Baerbock, drohe eine “komplette Moralisierung der deutschen Außenpolitik”. Das Programm der Grünen fordere etwa eine feministische Außenpolitik – “was immer das sein soll”. Angela Merkel habe bisher – bei aller Kritik – eine realistische Außenpolitik, etwa in Bezug auf China, verfolgt. Nun könnte das durch Moral und Ideologie ersetzt werden.

"Fatal, falls die FDP bei der Migrationspolitik nachgibt"

Die größten Konfliktpunkte ortet der Bestseller-Autor und Kolumnist beim Thema Migration, und eigentlich hofft er sogar, “dass es da viel Streit geben wird. Es wäre fatal, wenn die FDP einschwenkt auf die Linie von SPD und Grüne. Die wollen nämlich die Grenzen weit öffnen für jedermann.”

Wie weit die Positionen hier auseinander klaffen, habe sich gerade mit Blick auf die Ereignisse an der polnisch-weißrussischen Grenze gezeigt: “Die FDP ist für die finanzielle Unterstützung Polens bei der Grenzbefestigung, Grüne wollen hingegen offene Grenzen für die Migranten. Da sieht man ja schon den Widerspruch.” Ein Einlenken der FDP wäre im Übrigen ein Geschenk an die CDU, “obwohl gerade die Union mit Merkel hier alle Probleme verursacht hat.”

Im Übrigen werde in solche Koalitionsverträge viel hineingeschrieben, doch in der Praxis des Regierens kann vieles anders sein, sobald neue Probleme hochpoppen. Vieles sei nicht vorhersagbar, vor allem wenn die Koalitionsparteien “völlig konträre Vorstellungen haben”. Auf den Widerstand der FDP hofft Rainer Zitelmann auch bei einer möglichen Schuldenunion in der EU. Gespannt ist er, wie es mit der Energiepolitik weitergeht, denn hier seien die Vorhaben der Grünen “völlig unrealistisch”.