Hochbrisante Reise zu Putin: Tsunami an Kritik, aber auch Zuspruch für Nehammer
“Österreichs Kanzler fährt nach Moskau und schüttelt einem Kriegsverbrecher die Hand” – so zieht ein “Bild”-Reporter über Karl Nehammer (ÖVP) und dessen heutige Reise zu Wladimir Putin her. Auf Facebook und Twitter gibt’s aber auch Lob für die Initiative: Sie sei speziell für ein neutrales Land wichtig.
“Ich wähl’ den Nehammer ja nicht. Aber eines muss man schon sagen: Mut und Nerven hat er, der neue Bundeskanzler”, sagte ein Anrufer am Montagmorgen am eXXpress-Telefon. Und so sehen das vielleicht nicht wenige: Die heutige Reise des österreichischen Kanzlers zum Präsidenten der Russischen Föderation, der mit seiner Armee eben ein Nachbarland überfällt und dessen Truppen in der Ukraine töten, foltern, vergewaltigen und rauben, polarisiert.
Einerseits sagen die Kritiker, dass mit dem “Schlächter in Moskau” nicht gesprochen werden darf – Putin und der Kreml würden den Besuch Nehammers als politischen erfolg ausschlachten lassen: “Seht, ein EU-Staatsoberhaupt spricht weiter mit uns, wir sind nicht isoliert.” Und die russische Propaganda kann aus dem Treffen in Moskau etwas machen, was Nehammer absolut nicht beeinflussen kann …
Bei Selenskyj am Samstag, bei Putin am Montag
Andererseits ist Karl Nehammer als Kanzler des neutralen Österreich als Vermittler glaubwürdig: Am Samstag war der ÖVP-Chef eben bei Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj und bei den Klitschko-Brüdern in Kiew (wir berichteten). Und auch am Massengrab der getöteten Zivilisten in Bucha. Nehammer hat selbst gesehen, wie die russische Armee in der Ukraine wütet, die Zeugen in Bucha gehört, mit ihnen gesprochen. Er weiß auch, wie dringend die Ukraine zu einem Frieden kommen muss. Bei einem Besuch bei Wladimir Putin werde er auch die Kriegsverbrechen ansprechen, versprach der Kanzler.
Versuch der Vermittlung einer Gesprächsbasis
Der österreichische Kanzler beweist jedenfalls Mut: Er wird mit diversen Demütigungen im Kreml rechnen müssen – die Stimmung wird nach der Ausweisung von russischen Diplomaten aus Österreich unter Tiefkühlschrank-Niveau liegen. Und ein diplomatischer Erfolg dieser Reise scheint ohnehin fast ausgeschlossen: Ein Präsident, der eben Panzerarmeen zu einer neuen Großoffensive in der Donbass-Region in die Bereitstellungsräume rollen lässt, stoppt seinen Krieg vermutlich nicht, nur weil ihn ein Österreicher darum bittet.
Allerdings: Karl Nehammer kann durchaus erreichen, dass es zumindest wieder eine Gesprächsbasis der EU-Führung mit Moskau geben könnte.
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