Die Auschwitz-Überlebende Eva Schloss hat im Alter von 92 Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen – und darauf bestanden: “Die jungen Leute müssen sehen, dass wir wieder Freunde sein können”, wie sie gegenüber den BBC erklärte.

Eva Schloss bekennt sich heute zu ihrem Herkunftsland

Die Stiefschwester von Anne Frank und Mitbegründerin des Anne Frank Trusts lebt seit 70 Jahren in London und hat ihr Leben der Erinnerung an die Shoah gewidmet. Die Entscheidung, die Staatsbürgerschaft ihres Herkunftslandes anzunehmen, sei ihr zwar nicht leicht gefallen, aber sie glaube, dass es “moralisch das Richtige war”, unterstrich Schloss. Die österreichische Staatsbürgerschaft steht allen Opfern des Naziregimes und deren Nachkommen offen.

Eva Schloss spricht im März 2012 bei der Eröffnung der neuen Ausstellung "Auch wir könnten weiterziehen" im Anne Frank Museum in Amsterdam.AFP/ANP/EVERT ELZINGA

Schloss wird damit Doppelstaatsbürgerin, weil sie die britische Staatsbürgerschaft behält, doch sie bekenne sich zu ihrem Geburtsland: “Die Österreicher sind traurig über das, was geschehen ist. Wir können den Hass und die Diskriminierung nicht mehr weitertragen. Die Nazis sind nicht mehr unter uns.” Schloss nahm am 21. Juni an einer kleinen Zeremonie in der österreichischen Botschaft in London teil, um ihre Staatsbürgerschaft entgegenzunehmen. Bei dieser Gelegenheit wurde ihr auch die Medaille für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.

Wunderbare Kindheit bis zum "Anschluss"

Die Erinnerungen an die eigene Heimat sind durchaus belastet. “Als ich Österreich verließ, war ich sehr verbittert. Es hat lange gedauert, bis ich darüber hinweggekommen bin”, erzählt Schloss. Später ist sie mehrere Male in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. Das hat sich “wie ein Touristenland angefühlt: Als ich nach Wien ging, kannte ich niemanden mehr: Alle meine Familie und Freunde sind weg.”

Zunächst verbrachte Eva Schloss “neun wunderbare Jahre in Österreich”. Mit dem Einmarsch der Nazis am 12. März 1938 änderte sich das schlagartig. Am Tag danach wurde ihr zwölf-jähriger Bruder Heinz von seinen ehemaligen Freunden angegriffen, weil er Jude war. “Das Blut lief ihm aus dem Gesicht und seine Kleidung war völlig zerrissen”, erinnert sie sich. “Als meine Eltern ihn fragten, was passiert sei, sagte er: ‘Meine alten Freunde haben mir das angetan und meine Lehrer haben zugesehen.'” Über Nacht wandten sich Freunde und Nachbarn in Wien gegen die neunjährige Eva und ihre Familie, die Geiringers.

Freunde wurden plötzlich zu Feinden

“Ich erinnere mich, dass ich zum Haus meiner besten Freundin ging, einem katholischen Mädchen, und als ich dort ankam, schlug mir ihre Mutter die Tür vor der Nase zu”, sagte sie. “Ihre Mutter schaute mich so hasserfüllt an und sagte: ‘Ich will dich nie wieder sehen.'” Ihre Familie verlor ihre Staatsangehörigkeit – sie wurden zwangsumgesiedelt – und bekam neue Pässe, die sie als jüdisch auswiesen.

Anne Frank, 1941

Später wurden die Geiringers illegal nach Belgien geschmuggelt und Evas Mutter Elfriede schwor sich, nie wieder einen Fuß in ihr Heimatland zu setzen. Kurz darauf zogen sich nach Amsterdam, wo sich Eva mit einem Mädchen aus ihrem Wohnblock anfreundete: Anne Frank.

Die Mutter heiratete Anne Franks Vater

Die Familien der beiden Mädchen tauchten getrennt unter, um der Razzia der Nazis zu entgehen, aber im Mai 1944, an Evas 15. Geburtstag, wurden die Geiringers verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau geschickt. Sie waren von einem Doppelagenten des niederländischen Untergrunds verraten worden. Im Jänner 1945 wurden sie von der sowjetischen Armee befreit, ihr Bruder und ihr Vater starben beide in der Gefangenschaft.

Eva Schloss (r.) mit ihrer Mutter Elfriede im Jahr 1989

Elfriede heiratete nach ihrer Rückkehr nach Amsterdam Otto Frank, den Vater von Anne, der ebenfalls die Internierung durch die Nazis überlebt hatte. Eva Schloss hielt jahrzehntelang unermüdlich Vorträge über den Holocaust in verschiedenen Bildungseinrichtungen. Ihr Mann Zvi, der vor fünf Jahren starb, hatte gesagt, er würde niemals die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Eva Schloss hat drei Töchter.