In der Türkei hat sich die hohe Inflation weiter beschleunigt. Im Jahresvergleich stiegen die Verbraucherpreise im August um 58,9 Prozent, wie das Statistikamt am Montag in Ankara mitteilte. Im Vormonat hatte die Rate noch 47,8 Prozent betragen. Im vergangenen Jahr war die Teuerung sogar bis auf rund 85 Prozent gestiegen.

Erdogan bekämpfte jahrelang hohe Zinsen

Fachleute erklären die Währungsschwäche mit der Unsicherheit über die zukünftige Geldpolitik. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gilt als Gegner hoher Zinsen. Um die Leitzinsen zu senken und weitere Erhöhungen des Leitzinses durch die türkische Notenbank zu verhindern, ließ er in den vergangenen Jahren mehrmals den Notenbank-Chef auswechseln. Gemäß volkswirtschaftlicher Lehre sind aber hohe Zinsen unerlässlich, um die Lira zu stärken und die Teuerung einzudämmen.

Präsident Erdogan griff in den vergangenen Jahren aktiv in die Geldpolitik der türkischen Notenbank ein.

Zuletzt wurde der Leitzins von der türkischen Notenbank allerdings wieder deutlich angehoben. Dennoch befindet sich der Wechselkurs in der Nähe historischer Tiefstände. Wegen der schwachen Landeswährung Lira haben sich Einfuhren in die Türkei massiv verteuert. Überdies dürfte Erdogans politischer Eingriff in die Entscheidungen der Notenbank das Vertrauen in  die Geldpolitik deutlich geschwächt haben.

Venezuela, Argentinien, Simbabwe, Sudan haben die höchste Inflationsrate

Die Türkei befindet sich mit seiner Inflationsrate von 58,9 Prozent im weltweiten Spitzenfeld, gemäß den verfügbaren Daten wohl unter den Top Fünf. Auf Platz eins ist Venezuela, wo die durchschnittliche Inflationsrate im vergangenen Jahr auf rund 200,91 Prozent geschätzt wurde. Für das Jahr 2023 wird sie auf rund 399,98 Prozent prognostiziert. In rekordverdächtigen Höhen befindet sich die Inflation auch im Libanon, 251.5 Prozent waren es im Juli – und damit immer noch der niedrigste Wert innerhalb von fünf Monaten!

Für die Hyperinflation Venezuelas hat der ehemalige Präsident Hugo Chavez kräftige Vorarbeit geleistet.APA/AFP/Matias Delacroix

Stark nach oben geklettert ist die Teuerungsrate in den vergangenen zweieinhalb Jahren in Argentinien, einem weiteren lateinamerikanischen Land. 113,4 Prozent betrug die Inflation im Juli. In Simbabwe betrug die im August zuletzt 77,2 Prozent, was im Vergleich zu den Monaten zuvor sogar ein niedriger Wert war. Auch im Sudan geht die Inflation zurück, nachdem sie im Vorjahr durchschnittlich 138,8 Prozent betragen hat. Mit voraussichtlich 71,6 Prozent wird sie freilich auch in diesem Jahr überdurchschnittlich hoch sein.

Für Österreichs erhöhte Teuerungsrate gib es mehrere Gründe

Mit 7,5 Prozent klingt Österreichs Teuerungsrate im August vergleichsweise harmlos. Tatsächlich liegt das Land damit aber über dem Euro-Schnitt und nicht im Euro-Trend, wo die Inflation insgesamt sinkt. Gemäß dem – unvollständigen – Spectator Index auf X (Twitter) liegt Österreich übrigens auf Platz 15. Auch im weltweiten Vergleich gehört es somit zu den Ländern mit der höchsten Inflationsrate. Europäische Länder mit einer noch stärkeren Teuerung als Österreich waren im Juli Ungarn (17,6 Prozent), die Ukraine (11,3 Prozent), Polen (10,1 Prozent) und Schweden (9,3 Prozent).

Angesprochen auf die hohe Inflation räumte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) im vergangenen Jahr ein: "Ich habe durchaus schlaflose Nächte."APA/HANS PUNZ/GETTY

Je nach Land können unterschiedliche Faktoren die Teuerung ankurbeln. Im Falle Österreichs gehören dazu die hohe Abhängigkeit vom russischen Gas, der starke Arbeitskräftemangel und zahlungskräftige Touristen. Andererseits hat die Politik selbst im Rahmen von Antiteuerungsmaßnahmen hohe Geldsummen verteilt, was die Inflation zusätzlich befeuert hat.

Auch eine weniger schuldenfreudige Fiskalpolitik ist hilfreich zur Inflationssenkung. Umgekehrt hat sich immer eine besonders schuldenfreudige Politik, die von einer lockeren Geldpolitik der Notenbanken gestützt wurde, als zentrale Ursache aller bisherigen Hyperinflationen erwiesen, wie sie zurzeit etwa Venezuela erlebt. Die monetäre Finanzierung hoher staatlicher Haushaltsdefizite muss zwar nicht gleich zu Hyperinflation führen, allerdings wurden alle Hyperinflationen der Vergangenheit auf diesem Weg ausgelöst, wie der deutsch-schweizerische Wirtschaftswissenschaftler Peter Bernholz in seinem Buch “Monetary Regimes and Inflation” aufgezeigt hat.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde (r.) mit ihrem Vorgänger Mario Draghi (l.): Die ultralockere Geldpolitik der EZB, zuletzt zu Beginn der Pandemie, ließ die Teuerung ebenfalls in bis dahin unbekannte Euro-Höhen steigen.APA/AFP/POOL/Boris Roessler

Gefährlich wird es, wenn Notenbanken hohe Staatsdefizite finanzieren

Bernholz untersuchte, was früher passierte, wenn Staaten und Notenbanken Geld in eine schwächelnde Wirtschaft pumpten. Das Ergebnis: Zunächst stimuliert die Geldvermehrung die wirtschaftliche Aktivität. Erst zeitverzögert schlägt sich dies auf die Konsumentenpreise nieder. Die monetäre Finanzierung hoher staatlicher Haushaltsdefizite in Höhe von 30 oder noch mehr Prozent des Bruttoinlandsprodukts führte in der Vergangenheit immer zu Hyperinflation. Wenn eine moderate zu einer hohen Inflation wird, leidet darunter nicht nur die Wirtschaft, die Menschen suchen darüber hinaus nach Alternativen zum staatlichen Geld als Mittel zur Wertaufbewahrung – etwa Gold, Aktien, Immobilien, Bitcoin.

In diesem Fall kann Österreich nur bedingt Einfluss ausüben, da die Geldpolitik von der Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegt wird. Dass der hohe Ankauf von Staatsanleihen kombiniert mit einer mehrjährigen Nullzinspolitik wesentlicher Treiber der Inflation im Euro-Raum war, gilt als für viele Geldexperten als erwiesen.