Weniger Emotionen und mehr Argumente wünscht sich die deutsche Politikerin Sahra Wagenknecht (Die Linke), wenn es um Themen wie Identitätspolitik und Cancel-Culture geht. Das thematisiert sie auch in ihrem neuen Buch, was daher noch vor dem Erscheinen schon für Empörung bei ihren eigenen Parteifreunden gesorgt hat. Über ihre zentralen Thesen hat sie jetzt in einem Interview mit der NZZ gesprochen, in dem sie besonders mit der Heuchelei der Linksliberalen abrechnet.

Das sind die zentralen Thesen von Wagenknecht

Die gesellschaftliche Linke ist geschwächt: “Es muss doch jeden Linken umtreiben, dass Sozialdemokraten und Linkspartei zusammen kaum noch auf 25 Prozent der Stimmen kommen, und das, obwohl sich eine Mehrheit der Bevölkerung mehr sozialen Ausgleich wünscht und das Ansehen der Union nach ihrem katastrophalen Krisenmanagement und ihrer endlosen Kandidatendebatte so lädiert ist wie lange nicht mehr”, erzählte Wagenknecht im Interview mit der NZZ. Es sei selbstgerecht, wenn sich linke Politiker angesichts dieser Entwicklung nicht kritisch hinterfragen würden.

Debatten über Denk- und Sprachverbote gehen an den echten Bedürfnissen der Menschen vorbei: “Wir sind keine Interessenvertretung gutsituierter Großstadt-Akademiker, sondern müssen uns vor allem für die einsetzen, die sonst keine Stimme haben: die in schlecht bezahlten Service-Jobs arbeiten, oder auch für die klassische Mittelschicht, etwa Handwerker und Facharbeiter, die oft keinen akademischen Abschluss haben”, erklärte die Politikerin in dem Interview.

Moderner Linksliberalismus ist eine Mogelpackung: “In dessen Namen schuf man Stellen für Antidiskriminierungs- oder Frauenbeauftragte, während gleichzeitig ein riesiger Niedriglohnsektor entstand, in den vor allem Frauen und die Nachfahren von Einwanderern abgedrängt wurden”, so Wagenknecht.

Identitätspolitik spaltet die Gesellschaft: “Die Identitätspolitik will nicht Gleichheit, sondern Ungleichheit, sie bläst die Unterschiede zwischen Ethnien oder sexuellen Orientierungen zu bombastischen Gegensätzen auf.” Wer Identitätspolitik betreibe, kämpfe nicht für Minderheitenrechte im Sinne von Gleichberechtigung.

Linksliberale pauschalisieren alles, was sie ablehnen, automatisch als rechts: “Wer den radikalen politischen Islam kritisiert, wird ganz schnell für islamophob erklärt. Oder nehmen Sie den Rassismus: Es ist doch eine Verharmlosung von echtem Rassismus, wenn man jemanden, der nicht alle Finessen der woken Sprachregulierung beherrscht, als Rassisten diffamiert”, stellt die Politikerin in dem NZZ-Interview klar.