Die Eurozone erlebte schon mehrere Zerreissproben, vor allem nach der Finanzkrise und der daran anschließenden Griechenlandkrise. Doch nun droht ihre die nächste Krise samte massiven Spannungen. Der Grund: Nicht nur erreichte die Inflation ein Rekordhoch, die Euro-Staaten sind auch unterschiedlich stark von der Teuerung betroffen, wie Berechnungen der Wiener Denkfabrik Agenda Austria ergaben. Die Unterschiede zwischen den Inflationsraten der einzelnen Euromitglieder waren im Dezember 2021 sogar so hoch wie noch nie, und das könnte durchaus Sprengkraft haben.

Während nämlich Staaten mit Rekordinflation, wie Österreich und besonders Deutschland, immer sehnlicher eine Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) zwecks Dämpfung der Inflation wünschen, ist die Situation ausgerechnet in den hochverschuldeten Staaten wie Italien und Frankreich ganz anders: Hier sind die Verbraucherpreise nur gemächlich angestiegen.

Zunächst hatte das vergangene Jahr eher harmlos begonnen. Um zarte 0,8 Prozent stiegen die Verbraucherpreise im Jänner 2021 in der Eurozone. Die EZB, deren offizielles Inflationsziel eine jährliche Teuerungsrate von durchschnittlich zwei Prozent ist, blieb optimistisch und rechnete mit einer Teuerung von 0,9 Prozent im Jahresschnitt. Doch dann kam es anders. Die EZB sollte ihre Prognose noch mehrmals nach oben korrigieren müssen. Schon im Mai war der Euro-Raum bei zwei Prozent angelangt, und ab dem Sommer ging es Schlag auf Schlag: Drei Prozent betrug die Preissteigerung im August, im Dezember war sie schließlich auf dem Rekordwert von fünf Prozent angelangt.

Geldpolitik für den gesamten Euroraum ist schwierig

Der Durchschnitt über das gesamte Jahr 2021 betrug 2,6 Prozent, womit das erklärte Ziel von durchschnittlich zwei Prozent klar verfehlt wurde. Heuer wird es schwerlich anders sein. Erst kürzlich war es die EZB selbst, die ihre Inflationsprognose für 2022 auf 3,2 Prozent angehoben hat. Der Druck auf die EZB, ihre Zinsen anzuheben steigt damit ebenfalls. Das wünschen neben Österreich  auch sämtliche andere Staaten (siehe Grafik). In Österreich liegt die durchschnittliche Teuerung von 2,8 Prozent klar über dem Euro-Durchschnitt.

Großbritannien und Tschechien haben ihre Leitzinsen bereits erhöht, im Euroraum verharrt der Leitzins hingegen bei null. Dass sich das nicht so schnell ändern wird, liegt primär an den vergleichsweise hochverschuldeten Staaten wie Italien, die eine Zinswende schwer verkraften würden – zum Nachteil für Österreich. “Aufgrund der starken Unterschiede in der Preisentwicklung ist eine Geldpolitik für den gesamten Euroraum schwierig”, sagt Agenda Austria-Ökonomin Heike Lehner. “Dennoch ist es an der Zeit, dass die EZB, wie auch die anderen großen Zentralbanken, den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes einleitet, damit die Inflation wieder zum Zielwert von zwei Prozent zurückkehrt”.