Die bisher von der Regierung vorgelegten Zielsetzungen im Bereich Digitalisierung sind der Industriellenvereinigung (IV) zu wenig ambitioniert. Durchaus ehrgeizig ist dafür der digitale Aktionsplan, den die IV am Dienstag der Öffentlichkeit und der Regierung vorgelegt hat: „Bis zum Jahr 2030 soll Österreich zu den Top-3-Digitalisierungsvorreitern in Europa gehören. Das und nicht weniger muss das Ziel sein“, unterstrich Georg Knill, IV-Präsident in einer Pressekonferenz.

Unter Einbindung von 50 IV-Mitgliedsunternehmen hat die IV den Aktionsplan. Er zeige, „wie wir dieses Ziel erreichen können und welche Maßnahmen und Rahmenbedingungen wir dafür brauchen.“ Denn der Wettbewerbsdruck steige zusehends – „Asien und Amerika sind uns voraus, Europa und Österreich müssen nachziehen“. Gerade bei zukunftsweisenden Schlüsseltechnologien, wie Künstlicher Intelligenz, gelte es aufzuholen.

Identitätsnachweis um alles digital zu erledigen

Es liege nicht erst seit Corona auf der Hand, dass Digitalisierung greifbare wirtschaftliche Vorteile bieten. „Ohne digitale Möglichkeiten hätten wir keine Lockdowns, sondern ein ‚Game Over‘ erlebt. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein: Wer nicht digitalisiert, verliert“, unterstrich der IV-Präsident. Er nannte zwei Felder, wo Österreich aus Sicht der Industrie Handlungsbedarf habe. Einerseits bei der Einführung eines Elektronischen Identitätsnachweises (E-ID). „Jeder von uns kennt das: Bei sieben verschiedenen Online-Plattformen muss ich mich sieben Mal registrieren bzw. einloggen. Das ist schlicht und einfach mühsam – und sollte sich daher ändern“, hält Knill fest.

Mit der E-ID sollen daher jede natürliche Person und auch jedes Unternehmen eine Art von digitalem Gegenstück zum analogen Dokument haben – staatlich bestätigt und fälschungssicher, mit der alle Wege digital erledigt werden können. „Es wird Zeit, dass wir mit einer deutlichen Weiterentwicklung der bereits bestehenden Handysignatur an den europäischen Standard anschließen – in 35 der 47 Länder in Europa befindet sich mindestens eine digitale Identitätslösung im Einsatz.“

Cybersicherheit: Vordbild Estland

Ein weiterer, wichtiger Handlungsschwerpunkt sei das Thema Cybersicherheit. „Die digitale Zukunft muss eine sichere Zukunft sein. Allein 2021 beläuft sich der wirtschaftliche Schaden durch Cyberangriffe auf rund 6 Milliarden Euro. Hier müssen wir gegensteuern, indem wir ein echtes Kompetenzzentrum schaffen, eine nationale Know-how-Basis“, unterstrich der IV-Präsident. So sei etwa Estland nach einem massiven Cyberangriff 2007 erfolgreich diesen Weg gegangen. Auch die öffentlichen Investitionen in die Sicherheit der IT-Systeme seien deutlich erhöht worden, um weitere Attacken zu verhindern.

„Wenn man hier nach den Kosten fragt, dann ist Nichtstun jedenfalls die teuerste Lösung – der globale Schaden durch Cyberkriminalität lag 2021 bei rund 6 Billionen Euro, die Ausgaben für Cybersicherheit bei rund 123 Mrd. Euro. Das positive Kosten-Nutzen-Verhältnis liegt also auf der Hand“, so der IV-Präsident.

Rechtssicherheit für Anwender Künstlicher Intelligenz

Die Task Force hatte unter dem Vorsitz von Stefan Borgas, CEO von RHI Magnesita, stattgefunden. Er stellte klar: „Dieser Aktionsplan ist nur der Auftakt – ein klarer Auftrag und eine deutliche Empfehlung an Politik und Unternehmen, aktiv zu werden, und die digitale Transformation zu gestalten. Denn Warten ist die schlechteste Strategie.“

Neben E-Government bzw. E-ID und Cybersicherheit müssten seitens der Bundesregierung weitere Schwerpunkte unter anderem auf den Ausbau von Technologiekompetenz durch Forschung und Entwicklung sowie auf Künstliche Intelligenz gelegt werden, Stichwort: Rechtssicherheit für KI-Anwender. „Im Bildungsbereich müssen wir die Weichen für ein verstärktes digitales Mindset in der Lehrer- Aus- und Weiterbildung stellen. Um digitale Kompetenzen vermitteln zu können, müssen wir sie bei den Vermittelnden erst einmal aufbauen. Das wird Aufgabe einer zukunftsgerichteten Bildungspolitik sein“, hielt der Taskforce-Vorsitzende fest.

Unternehmer sollten selbstständig aktiv werden

Die heimischen Unternehmen bräuchten jedoch nicht auf die Politik zu „warten“, sondern müssen selbstständig aktiv werden, um die digitale Transformation erfolgreich zu gestalten. Auch hier gebe es seitens der Industrie klare Empfehlungen. „Was die Finanzierung betrifft, brauchen wir ein Aufsetzen von themenspezifischen Venture Capital Fonds. Die betriebsübergreifende Ausbildung im Bereich Digitalisierung sowie Verbindungen Schule-Unternehmen sollten gestärkt werden. Digitale Geschäftsmodelle haben sich in der Corona-Krise als sehr robust bewährt – ein Umsatzanteil von mindestens 20 Prozent sollte daher auch in Zukunft in diesem Bereich angestrebt werden“, so Borgas. Darüber hinaus sollten Unternehmen, die bereits vorhandenen E-Government-Angebote verstärkt nutzen und klare Prioritäten beim Thema Cybersicherheit setzen, etwa beim Vorantreiben des Reportings.

„Die genannten Themenschwerpunkte und Handlungsempfehlungen sind nur ein kleiner Teil eines viel umfassenderen strategischen Aktionsplans, mit dem sich Österreich bis 2030 im Digital Economy and Society (DESI)-Index von derzeit Rang 13 unter den EU-Mitgliedern unter die Top-3 vorarbeiten soll“, so Knill und Borgas, die abschließend betonten: „Dazu müssen wir Entwicklungen aktiv gestalten und nicht einfach nur hinnehmen. Und wir müssen sofort damit anfangen. Dann können wir zuversichtlich sein, dass uns die digitale Transformation des Standortes gelingen wird – mit allen positiven Effekten auf Wachstum und Beschäftigung, die wir gerade nach der Krise so dringend brauchen.“