Die Probleme der Flüchtlingswelle aus dem Jahr 2015 nicht noch nicht gelöst, da bricht bereits die nächste Asylflut über Europa herein. Im Interview mit der „Welt“ spricht der Bundeskanzler Klartext über die Verfehlungen Brüssels.

„Das Asylsystem der EU ist seit Jahren kaputt“, konstatiert Nehammer. Brüssel habe viel zu lange gebraucht, um ideologische Barrieren abzubauen. Doch der Kanzler hat Hoffnung, sieht einen langsam einkehrenden Realitätssinn. „Auch die neue italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat viel Schwung in die Debatte gebracht. Aber der Weg ist noch lange nicht zu Ende“.

Migration kann die EU zerstören

Warum die Debatte über Migration so wichtig ist? „Weil irreguläre Migration eine Frage sein kann, die die Europäische Union spalten und möglicherweise sogar zerstören kann. Wir müssen uns dieser Ernsthaftigkeit bewusst sein“, so Nehammer gegenüber der deutschen Zeitung. Klare Forderung aus Wien: Ein effektiver Schutz der Grenzen. Schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen. Schnelle Rückführungen durch entsprechende Abkommen mit Drittstaaten. Und: Asylverfahren sollten in Drittstaaten stattfinden.

Langsam kehrt in der EU Realitätssinn zurück: Meloni und Nehammer

Regelung bringt Frauen und Kinder in Gefahr

Vor allem der Beschluss über schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen droht die Union weiter zu spalten. Eine Mehrheit im EU-Parlament und die Koalition in Berlin wollen Frauen mit Kindern davon ausnehmen. Nehammer kann dem nichts abgewinnen: „Die Forderung Frauen in Begleitung von Kindern von schnellen Asylverfahren auszunehmen, mag zwar auf den ersten Blick richtig sein, aber sie ist aus polizeilicher Sicht praxisfremd und letztlich auch kontraproduktiv. Es führt dazu, dass künftig insbesondere Frauen mit Kindern von ihren Verwandten auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer geschickt und skrupellosen Schleppern hilflos ausgeliefert werden. Eine solche Ausnahmeregelung wäre praktisch eine Einladung für Frauen mit Kindern, die illegale Migration nach Europa zu wagen – und im Falle einer Schutzgewährung die gesamte Familie nachzuholen. Österreich würde einer Ausnahmeregelung für Frauen mit Kindern in dieser Form nicht zustimmen“.

Was ist die aktuell größte Krise der EU?