Patienten können vielfach nicht mehr ausreichend behandelt werden. Etwa an der Inneren Medizin in ganz Österreich fehlen 25 Prozent des Pflegepersonals. “Uns bricht die Pflege weg”, klagt Klinikchef Alexander Rosenkranz, Leiter der Inneren Medizin in Graz. Gleichzeitig steigen permanent die Anforderungen an die Pflegekräfte.

“Der Beruf ist wahnsinnig anstrengend, die Gebrechlichkeit, die Hilfsbedürftigkeit der Patienten wird immer mehr. Der Aufwand pro Patient wird mehr, aber da wurde mit dem Personal nicht rechtzeitig nachgezogen. Und jetzt, wo es erkannt wird, haben wir das Personal nicht mehr”, klagt er gegenüber der “Kleinen Zeitung”.

Alexander Rosenkranz, 1962 in Wien geboren, wurde 2011 an die Medizinische Universität Graz berufen. Heute ist er Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin des LKH-Uniklinikums Graz und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Innere Medizin.Kanizaj/LKH UnivKlinikum Graz

Wer wird behandelt und wer nicht?

Erst vor kurzem, Ende April, wandte sich Rosenkranz mit einem dramatischen Hilferuf an die Öffentlichkeit: “Jede fünfte diplomierte Pflegekraft fehlt, jedes dritte Bett ist gesperrt.” Jeder sechste Patient müsse bereits in ein anderes Krankenhaus weitergeleitet werden. Sollte man noch mehr Betten schließen müssen, sei Gefahr im Verzug: “Denn dann gibt es keine Notfallversorgung mehr.”

Seither habe sich die Situation nicht gebessert, wie er im Interview unterstreicht. Man müsse bereits weitreichende Entscheidungen fällen, nämlich wen man behandelt, und wen nicht. Bei der Notaufnahme würden zwar weiterhin alle versorgt. Doch nicht alle Patienten könne man mit “mit Eingriffen versorgen, die nicht akutmedizinisch erforderlich sind”.

Was das bedeutet, veranschaulicht der Klinikchef an einem Beispiel.

Täglich fallen weitreichende Entscheidungen

Für das Reparieren von Herzklappen kann das Personal schon zu knapp werden. “Wenn ich nun aber einen älteren Patienten aufgrund von Personalmangel für so einen Eingriff nicht einberufen kann, wird dieser Patient körperlich weiter abbauen und vielleicht in einen Zustand kommen, indem er für den Eingriff schon zu krank ist.” Da beginnen die Fragen: “Können wir einem Patienten so einen Eingriff vorenthalten, mit dem er noch mehrere Jahre bei guter Lebensqualität weitergelebt hätte?”

Damit ist es nicht mehr möglich, alle Patienten bestmöglich zu versorgen. Entscheidungen wie diese müsse er mittlerweile täglich treffen, “weil wir nicht das volle Programm fahren können.”

Bürokratische Hürden abbauen für schnelle Lösungen

Schuld sei der demografische Wandel. Darüber hinaus glaube nach wie vor jeder, “ein Anrecht auf die beste Versorgung zu haben”. Mittlerweile fehlten in Pflegeheimen die Ressourcen für alte Menschen. Im Ergebnis landen immer mehr Menschen in der Notaufnahme. Hier steige die Zahl der Patienten jährlich um acht Prozent.

Es brauche schnelle Lösungen, und dafür müsse man bürokratische Hürden abbauen. “Es ist jetzt ein Notstand und wir brauchen eine Notstandsverordnung.” Während es in Randgebieten genügend Pflege gebe, dafür aber die Ärzte fehlten, seit etwa in Graz die Situation umgekehrt. “Wir müssen die Bereiche, die überlastet sind, unterstützen und das Personal dort verstärken.” Alexander Rosenkranz warnt: “Wenn noch mehr Pflegepersonal kündigt, bekomme ich ein Problem. Wir alle bekommen ein Problem.”