Weder die Regierungspartei ÖVP, noch die größte Oppositionspartei SPÖ schickt für die Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober einen eigenen Kandidaten ins Rennen. Demokratiepolitisch ist das ein Armutszeugnis. Wer kann, denke zurück an die 70er-Jahre. Als sich noch politische Persönlichkeiten der Wahl zum Bundespräsidenten stellten. Undenkbar, dass damals, nur um ein Beispiel zu nennen, eine „Bierpartei“ einen Kandidaten für das höchste Amt im Staat gestellt hätte. Nun kann man sagen: „Ist doch gut, dass wir uns so toll entwickelt haben, dass eine ,Bierpartei‘ in unserem Land überhaupt Fuß fassen konnte.“ Man kann aber auch sagen: „Die österreichische Politik gibt sich der Lächerlichkeit preis, wenn keine der Großparteien einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten stellt, aber die ,Bierpartei‘ sehr wohl.“

Ideologisch eine Farce: Schimpfen und packeln

Hier dürfen sich die Geister scheiden. Keine zwei Meinungen gibt‘s für den Fakt, dass die SPÖ rund eine Million Wähler repräsentiert, diesen aber keine Wahl lässt. Das haben einige Wenige im Parteipräsidium und im Parteivorstand gemeinsam beschlossen. Damit gibt die rote Oppositionspartei indirekt eine Wahlempfehlung für den amtierenden Bundespräsidenten Alexander van der Bellen ab, dessen Nähe zu den in Koalition regierenden Grünen kein Geheimnis ist. Auf politischer Ebene wettert man gegen die auf den Regierungsbänken sitzenden Grünen, aber deren Parteifreund unterstützen die Roten. Freundschaft! Nicht minder seltsam agiert die ÖVP. Die Schwarzen bilden zwar mit den Grünen die Regierung, sind aber in vielen Themen nicht konform mit dem Koalitionspartner. Zum Beispiel in der Asylfrage klaffen die Meinungen stark auseinander. Dennoch empfiehlt die ÖVP in Ermangelung eines eigenen Kandidaten ihren Wählern Alexander van der Bellen. Ideologisch eine Farce!

Auch die Roten lassen Ihren Genossen keine Wahl

Selbstherrlichen Parteien Förderungen streichen

Das Argument, dass man es sich nicht leisten könne, einen eigenen Kandidaten aufzustellen, darf man nicht gelten lassen. Die zwei größten Parteien dieses Landes kassieren immerhin stolze Summen an Parteiförderungen. Die stimmenstärkste ÖVP erhielt heuer 22,6 Millionen Euro. An die SPÖ gingen 14,6 Millionen Euro. Vielleicht sollte man in Erwägung ziehen, diesen selbstherrlichen Parteien die Förderungen zu kürzen, wenn sie nicht imstande sind, den Österreichern eine Wahlmöglichkeit für das höchste Amt im Land zu bieten. Eine beliebte Ausrede ist derzeit auch: „Van der Bellen gewinnt sowieso.“ Das ist a) alles andere als sicher, und ist b) ein unfassbares und sehr bedenkliches Argument. Hätten immer alle so gedacht, wäre das demokratiepolitische System schon lange zum Erliegen gekommen.

Den ÖVP-Wählern vergeht das Lachen bei der Bundespräsidentenwahl

Keine Alternativen – wie in einer Diktatur

Das sind übrigens die gleichen Parteien, deren Vertreter mit dem Finger auf andere Staaten zeigen, wo die Wähler nicht so viel Wahl haben, wie zum Beispiel in Russland. Putin – aktuell der Lieblingsfeind Europas –, wird gerne vorgeworfen, dass es bei Wahlen zu ihm keine Alternativen gibt. Ginge es nach den beiden Großparteien, hätten die Österreicher am 9. Oktober bei der Bundespräsidentenwahl auch keine Alternativen. Wo ist der Unterschied?

Höchstes Amt im Staat für Großparteien bedeutungslos

Dass die Demokratie und damit die Wahlmöglichkeit am 9. Oktober dennoch hochgehalten wird, dafür sorgen einige so genannten „kleine“ Kandidaten und einer der Oppositionspartei FPÖ. Zum Dank für ihre Mühen und Arbeit, werden sie von den Polit-Granden noch belächelt. Vertreter der Großparteien maßen sich an, diese Kandidaten abzuqualifizieren. So viel Ignoranz, Überheblichkeit und Selbstherrlichkeit schadet nicht nur dem politischen Ansehen des Landes. Es zeigt auch, wie bedeutungslos das höchste Amt der Republik Österreich offenbar für diese Parteien ist. So wie jenen, die ebenfalls sagen, dass es eh wurscht ist. Ist es nicht. Der österreichische Bundespräsident muss mehr können als nur winken. Sein Aufgabenbereich geht weit darüber hinaus. Er könnte eine aktive Rolle spielen, aber genau das wollen die Großparteien offensichtlich nicht.