Kämpfer der privaten russischen Söldnertruppe Wagner sind nach Angaben ihres Anführers Jewgeni Prigoschin in russisches Territorium einmarschiert. Seine Kämpfer befänden sich im russischen Grenzgebiet zur Ukraine nahe der Stadt Rostow-am-Don, erklärte Prigoschin in der Nacht auf Samstag. Seine Truppen würden “alles zerstören”, was sich ihnen in den Weg stelle, warnte der Söldnerführer. “Wir machen weiter, wir gehen bis zum Ende”, kündigte Prigoschin an.

Kreml: "Wir dürfen nicht dem Gegner in die Hand spielen"

In Moskau wurden unterdessen die Sicherheitsvorkehrungen verschärft, es tauchten im Stadtzentrum gepanzerte Fahrzeuge auf. Medien berichteten zudem darüber, dass auch in Rostow-am-Don Panzerfahrzeuge aufgefahren seien. Präsident Putin sei über alle Entwicklungen unterrichtet, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow. “Notwendige Maßnahmen” würden ergriffen. Putin selbst hat sich in der unübersichtlichen Situation noch nicht zu Wort gemeldet. Auch wo sich Putin aufhält, ist nicht klar.

Prigoschin hatte zuvor den Vorwurf erhoben, Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Raketenangriffe auf Lager der Wagner-Söldner angeordnet, bei denen zahlreiche Kämpfer getötet worden seien. “Wir sind 25.000”, warnte Prigoschin und rief die russische Bevölkerung auf, sich seinen Truppen anzuschließen. “Das Böse, das die Militärführung des Landes anrichtet, muss gestoppt werden.”

Der Wagner-Chef hatte zuvor bereits den Darstellungen des Kremls widersprochen, die ukrainische Gegenoffensive sei fehlgeschlagen. “Die russische Armee zieht sich in den Gebieten von Saporischschja und Cherson zurück, die ukrainischen Truppen stoßen vor”, sagte Prigoschin in einem Online-Video. Das Gleiche passiere in Bachmut.

Die US-Regierung beobachtete die Entwicklungen nach Angaben eines Sprechers aufmerksam. “Wir verfolgen die Lage und werden uns mit Alliierten und Partnern über diese Entwicklungen abstimmen”, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. Präsident Joe Biden sei informiert. Die rivalisierenden russischen Truppen seien dabei, “sich im Kampf um Macht und Geld gegenseitig zu zerfleischen”, kommentierte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow.

Der wichtige russische Armeegeneral Sergej Surowikin schlug sich auf die Seite des Machtapparats in Moskau. Der Vizechef des russischen Generalstabs rief Prigoschin in einer Videobotschaft dazu auf, den Machtkampf zu beenden. “Der Gegner wartet nur darauf, bis sich bei uns die innenpolitische Lage zuspitzt”, sagte Surowikin in einer am Freitagabend verbreiteten Videobotschaft. Surowikin gilt eigentlich als Verbündeter Prigoschins, entschied sich nun aber allem Anschein nach zur Loyalität dem Kreml gegenüber. “Wir dürfen nicht dem Gegner in die Hände spielen – in dieser für das Land schweren Zeit.”

Plant er mit seinen Männern einen Putsch in Russland? Jewgeni Prigoschin

Russischer Armee-Hubschrauber abgeschossen?

Die Gruppe Wagner gibt an, von russischen Truppen bombardiert und angegriffen worden zu sein. Die Söldner hätten daraufhin einen russischen Armeehubschrauber abgeschossen. “Gerade hat ein Helikopter das Feuer auf eine zivile Kolonne eröffnet, er wurde von den Wagner-Einheiten abgeschossen”, sagte Prigoschin in einer in der Nacht auf Samstag veröffentlichten Audiobotschaft. Die Nachrichtenagentur AFP konnte die Angaben zunächst nicht überprüfen.

Laut übereinstimmenden Meldungen, die sich allerdings nicht bestätigen lassen zur Stunde, haben die Söldner der Gruppe Wager bereits drei Helikopter der russischen Armee abgeschossen.

Prigoschin verhandelt mit Kommandant des Militärbezirks Süd-West - jetzt in Rostow

Der Gouverneur der südrussischen Stadt Rostow-am-Don hat nach der Drohung von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin an die Moskauer Militärführung die Bevölkerung aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Die Behörden würden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit der Einwohner zu gewährleisten, sagt Wassili Golubew auf seinem Telegram-Kanal. Golubew teilt darin nicht mit, ob Prigoschin schon in Rostow angekommen sei.

Die Regionalverwaltung der südrussischen Region Woronesch rief die Einwohner dazu auf, die Autobahn M-4 in Richtung Moskau zu meiden. Grund sei ein Militärkonvoi, der sich dort bewege, teilt die Verwaltung auf Telegram mit. Die Situation sei unter Kontrolle. Es seien Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit ergriffen worden.

Prigoschin hatte zuvor erklärt, mit seinen Söldnern die Grenze von der Ukraine nach Russland überquert und Rostow erreicht zu haben. Der Söldner-Chef hat zum Aufstand gegen die Armeeführung in Moskau aufgerufen.

In Rostow befindet sich das Hauptquartier der russischen Armee für den Süden des Landes. Reportern von russischen Nachrichtenagenturen zufolge gab es vereinzelt Straßensperren in der Stadt. In sozialen Medien wurden zudem am frühen Samstag Videos geteilt, die zeigen sollen, wie Wagner-Kämpfer das Militärhauptquartier umstellen sollen und schweres militärisches Gerät darauf richten. Dies konnte bisher nicht unabhängig bestätigt werden.