Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigt sich vor dem ersten Treffen von Vertretern der ukrainischen und russischen Regierung kompromissbereit. Zudem forderte er neuerlich direkte Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Kompromisse möglich, die "nicht Verrat meines Landes" sind

“In jeder Verhandlung ist mein Ziel, den Krieg mit Russland zu beenden. Und ich bin auch bereit zu bestimmten Schritten”, sagte Selenskyj in einem “Bild”-Interview. “Man kann Kompromisse eingehen, aber diese dürfen nicht der Verrat meines Landes sein. Und auch die Gegenseite muss zu Kompromissen bereit sein – deswegen heißen sie ja Kompromisse. Nur so kommen wir aus dieser Situation heraus.” Über die Details könne er noch nicht reden. “Wir haben ja noch keinen direkten Kontakt zwischen den Präsidenten gehabt. Nur nach den direkten Gesprächen zwischen den zwei Präsidenten können wir diesen Krieg beenden.“

Selenskyj vermied eine konkrete Antwort auf die Frage, ob er bereit sei, die Krim an Russland abzutreten und die Souveränität der Separatistenrepubliken im Osten der Ukraine anzuerkennen: “Hier ist ja nicht die Frage, was ich geben kann.”

Ukraine könnte auf NATO-Beitritt verzichten

Am Donnerstag wollen der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba in Antalya unter türkischer Vermittlung über Wege zur Beendigung der Kämpfe sprechen. Ein Berater Selenskyjs hatte angedeutet, die Ukraine könnte im Gegenzug für Sicherheitsgarantien auf einen NATO-Beitritt verzichten. Dies ist eine der zentralen Forderungen der Regierung in Moskau.

Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums erklärte, die Regierung wolle ihre Ziele eines neutralen Status der Ukraine durch Gespräche erreichen und hoffe, dass die Verhandlungsrunde Fortschritte erzielen werde. Das Treffen in Antalya ist die erste Begegnung auf Regierungsebene seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar.

Im Krieg wird "der wahre Wert des Lebens" wichtig

Der ukrainische Präsident fordert zurzeit einen Boykott von russischem Gas und Öl, trotz der bereits hohen Gas- und Ölpreise. Darauf angesprochen meint Selenskyj im Interview: “Wissen Sie, es gibt so bestimmte Werte, die man sehr schwer erklären kann, bis man im eigenen Land, einen Krieg hat. Dann denkst du nicht mehr an Reformen. Du denkst nicht, dass du etwas kaufen möchtest oder an Regulierungen. … All das rückt in den Hintergrund, wenn der Krieg ausbricht, hat gar keine Priorität. Das ist nicht der wahre Wert des Lebens. Der wahre Wert des Lebens ist, dass du lebst, dass du nicht ermordet wirst. Und das muss Europa tun: das einfache Leben verteidigen und auch die wahren Werte auf den ersten Platz stellen.”