In Frankreichs Verwaltung ist Gendern nicht erlaubt. Nun soll auch ein eigenes Gesetz die geschlechtergerechte Sprache verbieten. Emmanuel Macron stellt sich offen hinter diesen Plan. Erst kürzlich warnte der französische Präsident davor, „dem Zeitgeist nachzugeben“, und versprach „die französische Sprache vor den Auswüchsen der sogenannten inklusiven Schreibweise schützen“ zu wollen.

Emmanuel Macron sieht im Gendern einen Zeitgeist, vor dem er die französische Sprache schützen möchte.APA/AFP/Emmanuel DUNAND

Gemäß der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) steht Macron damit unter Rechtsextremismus-Verdacht. Das geht zumindest aus einem Flugblatt der altehrwürdigen Akademie hervor.

Das Flugblatt – samt Logo der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Empfehlung: Anti-Genderismus Gegenstand der Rechtsextremismus-Forschung

Das Schreiben bewirbt eine Abend-Veranstaltung der ÖAW mit dem Titel: „Anti-Genderismus in Österreich und Europa“. Organisator ist der an der Akademie eingerichtete Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, der sich „mit allen Fragen und Anliegen, die die Gleichbehandlung betreffen“, befasst, wie die ÖAW-Homepage erklärt. Der Arbeitskreis soll die Führung – von Akademie-Präsident Heinz Faßmann abwärts – „in allen Angelegenheiten der Frauenförderung und Gleichbehandlung“ beraten, und entsprechende „Vorschläge und Empfehlungen“ erarbeiten.

Der ehemalige Bildungsminister Heinz Faßmann trat am 1. Juli 2022 die Nachfolge des Quantenphysikers und Nobelpreisträger Anton Zeilinger als Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an.Ludwig Schedl/ÖAW

Das Flugblatt wird konkreter. „Anti-Genderismus“ solle Gegenstand der „feministischen Rechtsextremismusforschung“ sein, fordert es. Wörtlich heißt es dort: „Da es sich bei ‚Anti-Genderismus‘ um einen interdisziplinären Untersuchungsgegenstand handelt, wird plädiert, diesen unter dem Dach einer feministischen Rechtsextremismusforschung zu betrachten.“

Stefan Weber: „So laufen wir intellektuell vollends gegen die Wand“

Für höchst befremdlich hält das der bekannte Plagiatsforscher und Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber. Zum einen sei die Begründung nicht schlüssig: „aus der Tatsache, dass etwas ein interdisziplinärer Untersuchungsgegenstand ist, folgt doch keineswegs, dass er unter das Label der Rechtsextremismusforschung zu fallen hat“, schreibt Weber auf seinem Blog.

Der Sprachwissenschaftler und Plagiatsjäger Stefan Weber sieht hier einen Schaden für Forschung und Wissenschaft.Joachim Bergauer

Noch problematischer ist aber, was die Forderung des Arbeitskreises vermittelt: „Wer gegen Gender(n) ist, ist (eigentlich) ein Rechtsextremer.“ Weber sieht darin „eine gefährliche Immunisierungslogik“: Argumente für und gegen das Gendern sollen nicht gegeneinander abgewogen werden. Die Befürworter des Genderns wehren von vornherein jegliche Kritik ab, indem sie Gegnern des Genderns unterstellen, rechtsextrem zu sein.

Mit solchen Methoden schüchterten politische Ideologien seit jeher ihre Kritiker ein. Marxisten etwa kanzelten ihrer Gegner als Repräsentanten der herrschenden bürgerlichen Klasse ab, die ihre Interessen gegen die Arbeiterklasse verteidigen wolle. Weber hält diesen Trend für gefährlich: „Ich weiß nicht mehr, was da argumentativ/diskursiv los ist, aber so laufen wir intellektuell vollends gegen die Wand und machen alles kaputt.“

Ideologie statt Forschung? Im Bild: die Österreichische Akademie der Wissenschaften in WienGetty

Kritik an Gendern gehört zur Strategie „muskulär-aggressiver weißer Männlichkeit“

Es ist nicht die einzige bedenkliche Aussage auf dem Flugblatt. Der Kommunikationswissenschaftlicher ist auf einen weiteren „unglaublichen“ Satz gestoßen. Er lautet: „Maskulinistische Identitätspolitik ist als Kampf gegen ‚Gender‘ eingebettet in eine Strategie, muskulär-aggressive weiße Männlichkeit zu re-souveränisieren […].“

Mit diesem Angriff auf eine „muskulär-aggressive weiße Männlichkeit“ würden „unerträgliche Stereotype“ erzeugt, warnt Weber- „Universitäten werden offenbar immer weniger Schauplatz eines rationalen Diskurses, sondern von polarisierenden Stimmungsmachern. Sie werden zu Orten, für die sich die Schulen schämen müssen. Dass die ÖAW dem Ganzen eine Plattform bietet, ist verstörend und skandalös.“

Macron: „Man braucht keine Punkte oder Bindestriche“

Doch nicht alle lassen sich davon beeindrucken, darunter auch der der französische Staatspräsident. Bei der Einweihung des ersten Museums für die französische Sprache im Jagdschloss von Villers-Cotterêts unterstrich Macron unter großem Applaus: „In unserer Sprache umfasst das Maskulinum das Neutrum. Man braucht keine Punkte in der Mitte der Wörter oder Bindestriche hinzuzufügen, um sie lesbar zu machen“. Vor zwei Jahren hatte das französische Bildungsministerium gewarnt: Die gendergerechte Schreibweise erschwere das Erlernen der Sprache. Nachteilig sei das auch für Migranten.