Scharfe Kritik kommt von Prof. Markus C. Kerber. „Die EZB trügt und täuscht“, erklärt der Professor für Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaften an der TU-Berlin gegenüber dem eXXpress.

Ursprünglich sollte die EZB nur vorübergehend Anleihen kaufen

Der Ankauf von Staatsanleihen im großen Stil hatte bereits unter Mario Draghi, dem Vorgänger der jetzigen EZB-Chefin Christine Lagarde, begonnen. Schon damals wurde der Vorwurf der monetären Staatsfinanzierung durch die EZB laut.

Unter Ex-EZB-Chef Mario Draghi (Bild) hat der Ankauf von Staatsanleihen im großen Stil begonnen.

Prof. Kerber hatte deshalb bereits im Jahr 2017 eine Verfassungsbeschwerde gegen die Wertpapierkäufe der EZB erhoben. Damals und in allen weiteren Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) hatte die EZB „hoch und heilig versprochen, dass die Anleihenkäufe und ihre Wiederanlage nicht ad infinitum durchgeführt würden“, sagt Kerber.

Doch jetzt geschieht genau diese Fortsetzung der Wertpapier-Käufe, allerdings unter vorgeschobenen Gründen. „Nun erfindet die EZB – einmal mehr – die ‚Eignung‘ eines ‚strukturellen Wertpapierportfolios‘ zur Erreichung von ‚Stabilitätszielen‘. Die Entgrenzung des EZB Mandats hat eine neue Dimension erreicht“, sagt Prof. Kerber.

Prof. Kerber (Bild) hat schon gegen frühere Anleihe-Käufe der EZB eine Verfassungsbeschwerde erhoben.eXXpressTV

Der Tatbestand der monetären Staatsfinanzierung scheint erfüllt

Doch ist das alles noch legal? Bisher sollten Anleihe-Käufe nicht dauerhaft geschehen und wurde unter anderem mit dem Erreichen des Inflationsziels von zwei Prozent gerechtfertigt. Davon ist nun nicht mehr die Rede.

Kerber kommentiert: „Das dauerhafte Halten von Staatsanleihen dürfte mit dem Verbot der monetären Staatsfinanzierung (Art. 123 AEUV) kollidieren. Denn das Bundesverfassungsgericht – dem EuGH folgend – hat eine Verletzung dieses Verbotes durch die bisherigen Anleihenkäufe unter anderem nur deshalb nicht festgestellt, weil die Aufkäufe begrenzt und die Schuldtitel dem Markt nach Erreichung zum Beispiel des Inflationsziels verpflichtend wieder zugeführt werden.“

Wenn aber – wie jetzt – „die Quantifizierung des ‚strukturellen  Wertpapierportfolios‘ einen billionenschweren Dauerposten von Staatsanleihen im Eurosystem ergeben, ist der Verbotstatbestand unwiderlegbar erfüllt. Das hätte für die Rechtssicherheit der Käufe fatale Folgen.“

Draghi (r.) mit Nachfolgerin Lagarde (l.)APA/AFP PHOTO/THIERRY MONASSE

EZB verfolgt Ziele, für die sie kein Mandat hat

Zurzeit könne die EZB überdies nicht einmal erklären, „wie ein solcher dauerhafter Staatsanleihenbestand der Erreichung eines Stabilitätsziels dienen könne. Sie verfolgt nunmehr ganz offen mandatsfremde Ziele.”

Zunächst hatte die EZB Anleihen-Ankäufe im Rahmen des sogenannten „Quantitative Easing“ betrieben– kurz: „QE“. Überdies baute die EZB im Rahmen ihrer beiden großen Anleiheprogrammen PEPP und APP strukturelle Anleihebestände auf. Nun will sie diese zwar abbauen, aber parallel dazu wieder neue aufbauen, wie sie erklärt.