Beim ersten rein bilateralen Besuch seit 2009 in Wien haben sich Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow um einen höflichen Tonfall bemüht. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz duzten sie sich sogar und sprachen sich mit Vornamen. Die teils massiven Differenzen wurden aber ebenso deutlich und von beiden nicht unter den Tisch gekehrt.

Schallenberg: "Russland kennt uns, und wir kennen Russland"

Die Beziehung zwischen Österreich und Russland sei in letzter Zeit “immer wieder massiven Stresstests” ausgesetzt gewesen, sagte Schallenberg, der etwa die “sofortige und bedingungslose” Freilassung des Oppositionspolitikers Nawalny forderte, dessen Verurteilung er als “nicht akzeptabel” bezeichnete. Auch für die territoriale Integrität der Krim, die Russland 2014 annektierte, werde man weiterhin eintreten.

Bei den Themen Krim und Nawalny wurden die Meinungsunterschiede besonders deutlichAPA/APA-POOL/GEORG HOCHMUTH

“Russland kennt uns, und wir kennen Russland”, unterstrich Schallenberg unter Verweis auf die  “lange, wechselhafte Geschichte” zwischen den beiden Ländern. Es schmerze Österreich als “stolzes Mitglied der EU” aber besonders, dass die Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau derzeit einen Tiefpunkt erlebten. Doch auch, wenn sich die beiden Länder “oftmals auf anderen Seiten des Flusses” befänden, so sei die “Brücke zwischen uns noch nicht abgebrochen”, betonte Schallenberg. Russland bleibe ein wichtiger Nachbar – und Dialog sei immer besser als streiten.

In vielen Bereichen, wie der Energie, gebe es im Übrigen eine unaufgeregte Zusammenarbeit. Die EU sei der mit Abstand wichtigste Handelspartner Russlands.

Lawrow kritisiert die falsch verstandene Solidarität mit der Ukraine

Emotional reagierte der russische Außenminister auf Schallenbergs Teilnahme an der “Krim-Plattform” am Montag. Im Unterschied zu seiner Kranzniederlegung am Schwarzenbergplatz sei das in Kiew “keine echte Veranstaltung” gewesen. Er sprach von falsch verstandener Solidarität mit der Ukraine und startete eine Tirade gegen das “unverständliche Regime” in Kiew. Gleichzeitig beklagte sich der russische Außenminister, dass Bewohner der Krim keinen Schengen-Visa erhielten und derart für ihre politische Position bestraft würden.

Auch versuchte Lawrow Schallenberg auf die de facto von Russland kontrollierte Halbinsel einzuladen. Der österreichische Außenminister lehnte freundlich ab. “Unsere Position zur illegalen Annexion der Krim ist weder neu noch überraschend. Sie ist felsenfest und das wissen auch unsere russischen Partner”, sagte Schallenberg.

Sergej Lawrow (l.) und Alexander Schallenberg vor Beginn eines DelegationgesprächsAPA/APA-POOL/GEORG HOCHMUTH

Mehrere Gespräche sind am Nachmittag geplant

Schallenberg und Lawrow wollten die Gespräche auch am Nachmittag fortsetzen. Geplant sind unter anderem Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Am Nachmittag nahm Lawrow auch an einem Treffen mit Vertretern des zivilgesellschaftlichen “Sotschi-Dialogs” zwischen Österreich und Russland in der russischen Botschaft in Wien teil. Laut russischem Außenministerium ist zudem ein Besuch am Wiener Hauptsitz der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA/IAEO) geplant.

Lawrow hält sich im Rahmen einer kleinen Europatour in Österreich auf. Neben Wien reist Lawrow auch nach Budapest und Rom. Für die Drei-Städte-Tour unterbricht er seinen Wahlkampf in Russland. (APA/Red)

Schallenberg (r.) und Lawrow bei einem Heurigen in WienAPA/BMEIA/MICHAEL GRUBER