Liebe Frau Gewessler!

Es ist heiß. Sehr heiß in diesen Tagen. Und nein, ich schreibe Ihnen jetzt nicht wegen Klimawandel, Klimakrise und dem Weltuntergang insgesamt. Das überlasse ich Ihnen, Ihren Fundis und allen, die sich gerne irgendwo ankleben.

Mir geht es bei der Hitze der letzten Tage um etwas anderes. Nämlich um die Frage, ob Sie vielleicht zu lange in der Sonne gelegen haben und einen kleinen Stich von diesem glühenden, dunkelorangenen, fetten Punkt am Himmel abbekommen haben? Das kann jedem einmal passieren. Oder war es Ihrer politischen Verzweiflung geschuldet, im Wissen, dass der grüne Stern am Sinken ist? Oder einfach nur der plumpe Versuch, in die Annalen der ewigen Sommerlochthemen einzugehen?

Egal. Jedenfalls haben Sie die Aktion gestartet: Wer sich ein Tattoo stechen lässt, zum Beispiel mit dem Schriftzug „Klimaticket“, der bekommt ein Jahres-Klimaticket geschenkt. Wie kreativ, Frau Ministerin!

Ich denke hier jetzt an den Pendler aus dem Mühlviertel, der am Wochenende gerne bei der Brauchtumsgruppe aktiv ist und unter der Woche mit den Öffis nach Linz zu Arbeit fahren muss. Um an ein kostenloses Jahresticket zu kommen, muss er sich „Klimaticket“ an den Oberarm, oder wo auch immer, tätowieren lassen. Oder die Volksschullehrerin, die von Wiener Neustadt in die Bundeshauptstadt pendelt und in ihrer Freizeit in einer Volleyballmannschaft spielt. Auch sie könnte das Ticket gut gebrauchen. Aber dafür muss man sich eben auf ein Tattoo-Motiv einlassen, das Ihre Leute vorgeben. Da fragt man sich schon, wird hier gestochen oder bestochen?

Auch wenn es nur eine Aktion auf dem Frequency Festival war, sagt es viel über Sie aus. Ich sehe und höre die Empörung der Grünen, wenn eine andere Partei auf so etwas kommen würde. Zum Beispiel: Herbert Kickl verschenkt am Villacher Kirchtag 1.000 Euro, wenn man sich „Grenzen zu“ auf den Arm tätowieren lässt. Oder „Nur Bares ist Wahres“ und dafür von Karl Nehammer 1.000 Euro bekommt, passend am Weltspartag.

Frau Ministerin! Machen Sie normale Politik und hören Sie auf, die Menschen mit solchen verstörenden Aktionen zu ködern. Was für Sie vielleicht cool klingen mag, ist vielmehr ein Zeichen von Verzweiflung, Überforderung und politischem Dilettantismus. Haben wir denn keine anderen Probleme in diesem Land?

Wenn Sie schon auf Tattoos stehen, können Sie sich jederzeit eines stechen lassen. Allein und in einem Tattoo-Studio. Aber nicht so primitiv und scheinheilig wie am Wochenende: Medienwirksam auf offener Bühne, allerdings in Form eines abwaschbaren Kinder-Tattoos. Wie jämmerlich und erbärmlich von Ihnen. Zeigen Sie doch Mut und lassen Sie sich richtig tätowieren. Zum Beispiel den Text: „Ich war dabei. 2020-2024. Wurde dann aber abgewählt“.

Herzlichst

Ihr
Exxpressicus