Ja, ein Pflichttermin sogar für Sie. So auch diese Woche in Vorarlberg, wo Sie am Ufer des Bodensees die 77. Bregenzer Festspiele eröffnet haben.

Es ist bereits Tradition, oder sagen wir normal, dass Sie die Festspielbühne nutzen, um mahnende Worte an das Land und ganz im Speziellen an die Politik zu richten. Als Bundespräsident dürfen Sie das, und ja, ich finde, das sollen Sie auch.

Aber diesmal hat mich etwas an Ihrer Rede gestört. Die Tageszeitung „Die Presse“ hat es in ihrer Berichterstattung über Ihre Rede einleitend so beschrieben: „Alexander Van der Bellen übte in Bregenz harte Kritik an ÖVP, SPÖ und FPÖ – ohne sie explizit zu nennen.“ Es verwundert, dass ein Bundespräsident nur drei unserer fünf im Parlament vertretenen Parteien herausnimmt, auf offener Bühne verbal „tögelt“ und die zwei weiteren Parteien von seiner Kritik weitgehend auslässt. Wo bleibt die Äquidistanz zu allen Parteien, wenn Sie sich selbst als Präsident „aller Österreicherinnen und Österreicher und aller Menschen, die hier leben“ sehen?

Gerade bei solchen Anlässen könnten Sie zeigen, dass Sie ein Präsident für alle sind. Die Grünen, Ihre alte politische Heimat, dürfen nicht unter einen präsidialen Artenschutz gestellt und von Ihrer Kritik ausgenommen werden. Schon gar nicht, wenn die Grünen in der Regierung sitzen und Schlagzeilen am laufenden Band liefern, die quer durchs Land für Kopfschütteln sorgen. Die in aggressivem Ton Andersdenkende kritisieren, erfahrene Landespolitiker ins Faschismuseck stellen und immer so tun, als sei die Wahrheit nur grün.

Oder die Neos, denen die Verfahrensrichterin im U-Ausschuss und andere „am Oasch“ gegangen sind oder Vorschläge einer anderen Partei als „fetzendeppert“ bezeichnet haben. Ich finde, solche Äußerungen müssten Sie genauso rügen, wenn Sie schon ÖVP, FPÖ und SPÖ kritisieren.

Sie warnen auch immer vor der Spaltung im Land. Ich halte das für wichtig und glaube, dass das wohl niemand will. Leider haben Sie mit Ihrer Festspielrede genau das Beispiel geliefert, das den Eindruck der Spaltung hinterlässt. Weil Sie selbst in Ihren Reden, indem Sie nur bestimmte Teile unserer Parteienlandschaft kritisieren, gleichzeitig vermitteln, was aus Ihrer Sicht gut oder schlecht bzw. richtig oder falsch ist. Das sollten Sie den Parteien mit ihren Programmen, Inhalten, Ideen und Ideologien im demokratischen Wettbewerb überlassen. Machen Sie sich daher nicht zum aktiven Teil des parteipolitischen Tagesgeschäfts. Seien Sie ein Präsident, der über all diesen Dingen steht und nicht einseitig agiert. In Bregenz war das nicht der Fall.

Herzlichst

Ihr Exxpressicus