Mehr als einmal haben Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund vor der wachsenden sozialen Ungleichheit in Österreich gewarnt. Im europäischen Vergleich steht Österreich aber gar nicht so schlecht da, im Gegenteil. Das Einkommen ist hierzulande so verteilt, wie in Polen und in Dänemark – und damit nicht sehr ungleich. Diese drei Länder haben nämlich eine Top-Platzierung inne. In sämtlichen anderen EU-Staaten ist die Einkommensungleichheit weiter höher. Das ergeben jüngste Zahlen von Eurostat.

Schlusslicht sind Bulgarien und Litauen

Um zu ermitteln, wie ungleich Einkommen innerhalb einer Gesellschaft verteilt ist, wird in der Regel der Gini-Koeffizient herangezogen. Sein Wert liegt zwischen 0 (absolute Gleichheit) und 1 (maximale Ungleichheit). Schon wenige Dezimalstellen machen einen großen Unterschied aus. In den jüngsten Eurostat-Daten zum  Jahr 2020 belegt Bulgarien eine Spitzenplatzierung (0,40), gefolgt von Litauen (0,35). Etwas besser stehen Spanien (0,32) und Griechenland (0,31) da. Frankreich hat mit 0,29 eine mittlerweile Platzierung, etwas besser sind die Niederlande (0,28).

In Dänemark, Polen und Österreich beträgt der Gini-Koeffizient 0,27 und ist daher am niedrigsten. Gegenüber dem Jahr 2019 hat sich der Wert Dänemarks und Österreichs nicht verändert. Einen starken Anstieg erlebte aber Deutschland, von 0,29 auf 0,35 im Jahr 2020. Damit wären Einkommen in Deutschland im EU-Vergleich tatsächlich besonders ungleich verteilt. Österreichs Nachbarland läge an drittletzter Stelle. Das sorgte für Verwunderung.

Verteilungsexperte: "Deutschland wäre ein anderes Land"

Der Verteilungsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Markus Grabka, unterstreicht gegenüber der Tageszeitung “Welt”: Zwischen einem Gini-Koeffizienten von 0,29 und einem Wert von 0,34 lägen Welten: “Deutschland wäre dann ein anderes Land.” Noch  War die soziale Spreizung in den südeuropäischen Ländern wie Griechenland, Spanien, Zypern oder Portugal bisher stets deutlich größer als in Deutschland, wäre das nun nicht mehr der Fall.

Der maßgebliche Grund ist offenbar eine Veränderung der Erhebungsmethode. Die ermittelten Daten beruhen auf dem Survey EU-Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC). Deutschlands Statistische Bundesamt hat das Erhebungsverfahren für SILC geändert. SILC beruht auf Haushaltsbefragungen. Bisher war die Teilnahme freiwillig. Doch seit 2020 ist sie “als eigenes Kapitel der Mikrozensus-Befragung angehängt und somit nicht mehr freiwillig”, schreibt die “Welt”. Die SILC-Daten beruhen damit auf einer bedeutend größeren Stichprobe, die nun die deutsche Bevölkerung “repräsentativer abbildet”, wie das Statistische Bundesamt erklärt.

“Im Klartext: Die amtlichen Statistiker halten das Bild einer deutlich stärker gespaltenen Gesellschaft für das realistischere Bild Deutschlands.” Das könnte populistischen Umverteilungswünschen der Linken Auftrieb geben, fürchtet die “Welt”.