Im Wiener Stadtpark campieren Maßnahmenkritiker und Impfgegner. Wie uns ein „temporär Ansässiger“ erzählt, leben hier seit 14 Tagen knapp 30 Personen in Zelten. Am Wochenende seien es dann mehr, weil unter der Woche viele arbeiten müssten. Mit der Exekutive hätten sie bisher nur guten Kontakt gehabt, erzählt uns der Herr in Tarnkleidung. Das Camp ist bis Ende Februar als Dauerversammlung angemeldet und genehmigt, obwohl Getränke ausgeschenkt werden und die Menschen auf Heurigenbänken zusammensitzen, gibt es keine Masken- oder 2G-Pflicht. Diese werde auch nicht kontrolliert. „Die Exekutive macht auch nur ihren Job, und die wollen auch, dass Frieden ist,“ sagt er uns.

„Der VfGH wird das alles wieder aufheben“

Die Menschen sitzen zusammen, lachen, spielen über Lautsprecher Musik ab. Gegrüßt wird untereinander mit festen Umarmungen. Es gehe ihnen um „den Erhalt und den Kampf für die Demokratie“, so ein Herr, der hinter einer provisorischen Theke steht und jeden, der mag, mit warmen Essen und Getränken versorgt. Diese werden ihnen von Anwohnern gespendet, auch habe er einen Verein und könne somit etwas günstiger im Großmarkt einkaufen. Die „Demo gestern war super“, sagt der Mittdreißiger. Es sei durchwegs friedlich gewesen, eine bunte Mischung, das habe ihn gefreut. Er betont immer wieder, dass er auf den Verfassungsgerichtshof vertraue, dieser würde so eine Impfpflicht gar nicht durchgehen lassen. Dieser Ansicht sind im Camp fast alle-der Verfassungsgerichtshof werde diese „Spaltungsmaßnahmen“ wohl wieder aufheben.

Rund um das Camp und die Jausenstation ist etwas los, wir bekommen eine Diskussion zwischen einem Maßnahmenbefürworter und einer Gegnerin statt. „Wie lang sollen wir die Masken denn noch tragen?“ fragt eine rothaarige Frau, die uns später von anderen Besuchern und Bewohnern des Anti-Corona-Camps als Jenny vorgestellt wird. Sie sehe es nicht ein „dass der Staat in meine körperliche Unversehrtheit eingreifen will.“ Ihr Diskussionsopponent, ein Herr Mitte Vierzig, der angibt, in Belgien zu leben und nur zu Besuch zu sein, sagt uns, dass er erstaunt über die Ausmaße der Corona-Debatte in Österreich sei. „ Bei uns gibt es nur ein paar Prozent Impfgegner, das sind so wenige, da wird es keine Impfpflicht brauchen,“ meint er. Die Maßnahmen sehe er als „das geringere Übel. Wir müssen diesen Virus jetzt endlich in den Griff kriegen,“ sagt er. Er sei beruflich viel in „echten Diktaturen wie Weißrussland“ unterwegs gewesen und mache sich Sorgen über den inflationären Gebrauch des Wortes „Diktatur“. Er ist sehr höflich zu seiner Diskussionspartnerin, die beiden, die grundverschiedene Meinungen haben, lassen sich gegenseitig aussprechen und hören sich zu. eXXpress bittet die beiden um versöhnliche Worte, jede Seite äußert auch Verständnis für den jeweils anderen.

„Ja, aber ich bin auch dreifach geimpft“

Ein vierbeiniger Demonstrant hatte es auf das Mikrofon abgeseheneXXpress

Zwei ältere, gut gekleidete Damen bewerten die Sache deutlich klarer, eine der beiden sagt uns :„Ich sehe das genauso wie unser Herr Bundeskanzler. Umso schneller die Impfpflicht kommt, desto besser.“ Sie sehe nicht ein, „wieso Geimpfte nun unter den Entscheidungen Ungeimpfter leiden müssen.“ Sie selbst bezeichnet sich als „absolute Impfbefürworterin.“  Wir werden wieder aufmerksam auf eine Diskussion beim Camp, zwei Radfahrer bleiben bei den Demonstranten stehen und regen sich sichtlich auf. Einer der beiden gibt an, Arzt zu sein. Als wir ihn befragen wollen, dreht er den Kopf weg und steigt aufs Rad. Mit den Worten „Solange sie keinen Mundschutz anhaben und ich nicht weiß, ob sie überhaupt geimpft sind, spreche ich nicht mit ihnen“ und tritt in die Pedale. Als ich entgegne, er trage doch gerade auch keine Maske, obwohl er spreche, antwortet er im Wegfahren „Ja, aber ich bin auch dreifach geimpft.“

Am Ende wollen alle Freiheit

Überall um das Camp herum stehen Befürworter und Gegner der Maßnahmen und diskutieren-da kann es auch einmal etwas lauter werden, meint ein älterer Herr. „Besser es wird diskutiert, als dass gar nicht mehr miteinander gesprochen wird.“ Auffällig ist an diesem Sonntag, dass erstaunlich viele Personen auch vor der Kamera ihre Meinung kundtun wollen. Der Lockdown und die Debatte um die Impfpflicht scheint zu emotionalisieren. Von Gewalt und Hass sind die Bewohner und Besucher des Camps jedoch augenscheinlich weit entfernt, „ich will einfach mei‘ Freiheit wieder haben“, sagt uns ein junger Mann. So geht es wohl vielen Menschen, ob Befürworter oder Gegner der Maßnahmen – nur der Weg dorthin unterscheidet sie.