Halb Europa und natürlich die meisten Ukrainer applaudieren den Niederlanden und Dänemark, dass sie nun gemeinsam 61 Kampfjets vom Typ F-16 “Fighting Falcon” des US-Herstellers Lockheed Martin den ukrainischen Luftstreitkräften überlassen werden. Noch sehr vorsichtig in der Bewertung dieser Zusage ist einer der besten Militärpiloten Österreichs, der auch in den USA Wochen der Ausbildung verbracht hat. Im Hintergrund-Gespräch mit dem eXXpress sagte der Luftwaffen-Experte zu den jetzigen Jet-Zusagen: “Ich sehe das eher als politisches Zugeständnis, als Symbol dafür, dass Europa zur Ukraine steht. Die Niederlande müssten sonst die Jets ins Museum stellen.”

Militärisch sei nach seiner Ansicht nicht wirklich ein gewaltiger Umschwung der Gesamtsituation im Osten der Ukraine zu erwarten: “Es wird davon abhängen, welche Aufgaben den ukrainischen Piloten der F-16 gegeben werden. Nur von A nach B zu fliegen – damit wird’s ja nicht getan sein.”

Wolodymr Selenskyj mit seiner Gattin Olena jetzt aktuell in einer niederländischen F-16.

Warnung vor russischen Luftabwehrraketen

Sollte tatsächlich der Befehl zur Herstellung der Luftüberlegenheit kommen, wäre dies selbst für 61 ukrainische F-16-Jets keine einfache Aufgabe, meint der langjährige Militärpilot: “Die Piloten müssten sehr genau darauf achten, nicht in die Reichweite der russischen Luftabwehr-Raketen von Typ S-300 und S-400 zu kommen.” Und die würden durchaus auch Ziele in einer Entfernung von 380 Kilometern neutralisieren können.

Falls die F-16-Jets für den “Close-Air-Support” (für die Luftnah-Unterstützung von Bodeneinheiten) eingesetzt werden sollen, dann sei dies “natürlich möglich”, sagt der Experte der Luftstreitkräfte, aber auch das sei riskant.

Ob die ukrainische Streitkräfte-Führung die F-16-Jets erfolgreich einsetzen kann, kommt vor allem auf die mitgelieferten Waffensysteme an, sagt der Luftwaffen-Pilot: “Mit einer weitreichenden AMRAAM-Luft-Luft-Rakete kann die F-16 auch eine russische MiG-29 oder eine Su-35 abschießen. Und sollten die USA auch Electronic-Warfare-Pakete an die Ukraine liefern, dann könnten sogar die Radaranlagen der S-300- und S-400-Raketenbasen ausgeschaltet werden.”

Low-cost-Jet der 3. Generation: F-16 von Lockheed. Österreichs Eurofighter ist ein Jet der Generation 4+.

Gewaltiger Service-Stab für die F-16 muss erst aufgebaut werden

Mit dem tatsächlichen Eintreffen der F-16-Jets in der Ukraine stellen sich aber noch zwei große Probleme, erklärt der Militärexperte: Erstens müssten die ukrainischen Luftstreitkräfte “sehr flexibel disponieren”, also besonders darauf achten, dass die gelieferten Jets nicht zu lange an einem Flugfeld versammelt sind – das würde die russische Armee sofort für Luftschläge mit Cruise-Missiles oder Überschall-Raketen ausnutzen. “Die Bilder der brennenden F-16-Jets wären dann in etwa so ein harter Schlag für die westeuropäischen Unterstützer der Ukrainer wie die Videos von den zerschossenen Leopard-2-Panzern, da muss die Ukraine aufpassen”, warnt der langjährige österreichische Abfangjäger-Pilot.

Und zweitens muss noch ein gesamtes Service-Team aufgebaut werden und auch ungestört in der Ukraine arbeiten können: Triebwerke, Hydraulik- und Elektronik-Teile müssten immer wieder ausgetauscht werden, die Ukrainer brauchen auch ein gewaltiges Lager an Ersatzteilen. Und dieser Tross muss dann ebenfalls immer wieder mit zu den neuen F-16-Basen wechseln, also mobil sein.

Der österreichische Luftwaffen-Experte rät: Einen direkten Dog-Fight sollten die ukrainischen F-16-Piloten mit MiG-29-Piloten vermeiden.

Bei seinem Resümee bleibt der Luftwaffen-Offizier bei seiner ersten Einschätzung: “Die Lieferung der Jets ist ein politisch wichtiges Zeichen. Aber die Übergabe an die Ukrainer ist eigentlich eine künstliche Entsorgung der F-16, sonst hätten sie die Niederländer und die Dänen ins Museum stellen müssen.”

Bekanntlich sind die F-16 Block 15 AC OCU der Niederlande bereits 1989 angeliefert worden, dann gab’s ein Upgrade der Maschinen in den Jahren 1997 und 1998 auf Block MLU. Seit 18. November des Vorjahres flog keine der niederländischen F-16 mehr, alle Jets wurden ausgemustert. Die Koninklijke Luchtmacht hat bereits 52 neue F-35-Kampfjets im Einsatz.

Sah jetzt die 34 Jahre alten F-16-Maschinen: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.