Ein Berufungsgericht in Italien hat am Donnerstagabend Verurteilungen in einem spektakulären Mafia-Prozess aufgehoben und damit Vorwürfe entkräftet, der Staat habe nach einer Serie von Bombenanschlägen in den 1990er-Jahren mit sizilianischen Mafiosi zusammengearbeitet.

Mafia-Bombenanschläge hielten Italien in Atem, zwei Anti-Mafia-Richter wurden getötet

In einem in der sizilianischen Hauptstadt Palermo verlesenen Urteil erklärte Richter Angelo Pellino, dass drei ehemalige Polizeiermittler und ein enger Mitarbeiter des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in einem Fall, der Italien in Atem hielt, keine Straftat begangen hätten. Er bestätigte jedoch die Schuldsprüche gegen zwei prominente Mafiosi, darunter Leoluca Bagarella, einen verurteilten Mörder des Corleone-Mafia-Clans, der zu 28 Jahren Haft verurteilt wurde.

Die gegen die Ermittler erhobenen Vorwürfe stellten keine Straftat dar, urteilte das Gericht am Ende eines 2018 begonnenen Berufungsprozesses. In dem Fall ging es um Vorwürfe, staatliche Vertreter hätten nach einer Reihe von Mafia-Bombenanschlägen und Attentaten, bei denen 23 Menschen, darunter die prominenten Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, getötet wurden, mit der Mafia verhandelt.

Der Prozess gegen Ex-Senator Marcello Dell'Utri sorgte schon vor elf Jahren für ein gewaltiges MedieninteresseAPA/AFP/MARCELLO PATERNOSTRO

Cosa Nostra soll Staat erpresst haben: bessere Haftbedingungen, dafür keine weiteren Anschläge

Die Cosa Nostra soll Anfang der 90er-Jahre eine Reihe von Forderungen an den Staat gestellt haben, unter anderem die Abschaffung der für Mafiosi erschwerten Haftbedingungen. Dafür wollte die Mafia keine weiteren Anschläge wie jene verüben, die 1992 zum Tod der beiden Anti-Mafia-Jäger Falcone und Borsellino geführt hatten.

Das erstinstanzliche Urteil im Prozess wurde 2018 nach einem fünfjährigen Prozess gefällt. Die Ermittlungen im Fall hatten vor 13 Jahren begonnen. Ex-Senator Marcello Dell’Utri, ein Vertrauter Berlusconis, wurde beschuldigt, einen Deal mit der Mafia ausgehandelt hatte, um die Anschläge zu verhindern. Er wurde deswegen erstinstanzlich zu einer 12-jährigen Haftstrafe verurteilt, ebenso wie zwei pensionierte Generäle der Carabinieri. Am Donnerstag folgte dann der Freispruch.

Dell'Utri: "Dieser Freispruch ist ein Wendepunkt, nicht nur für mich, sondern für die italienische Justiz"

“Dieser Freispruch ist ein Wendepunkt, nicht nur für mich, sondern für die italienische Justiz. Dieser Prozess war ungeheuerlich”, sagte Dell’Utri. Das Urteil wirft Fragen über die Effizienz und Kohärenz der italienischen Justiz auf. “Dies ist nur der jüngste Beweis für die Notwendigkeit einer echten und tiefgreifenden Justizreform”, sagte Matteo Salvini, Vorsitzender der in Rom mitregierenden Partei Lega.

Nach den Anschlägen auf Falcone und Borsellino erschwerte die Cosa Nostra den Druck mit beispiellosen Anschlägen, darunter auf die Uffizien in Florenz und auf die Lateranbasilika in Rom. Zehn Menschen wurden in Mailand und Florenz getötet. Nach 1993 hörten die Anschläge abrupt auf. Die Staatsanwälte erklärten, sie würden das Urteil vom Donnerstag prüfen, um zu entscheiden, ob sie beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen würden.

Die EU kritisiert bereits seit Jahren die Ineffizienz der italienischen Gerichte

Das italienische Justizsystem sieht drei Stufen vor. Angeklagte können zwei Mal Berufung einlegen. Durch lange Verfahrensdauer verjähren in Italien weit mehr Fälle als in anderen europäischen Ländern. Die EU kritisiert bereits seit Jahren die Ineffizienz der italienischen Gerichte. (APA/Red)