Wiedersehensfreude, innerparteiliche Einigkeit, “Frauenpower”, Kritik an der amtierenden Regierung sowie der eigene “Führungsanspruch” in Österreich standen im Mittelpunkt der Ansprachen von SPÖ-Chefin Rendi-Wagner und Wien-Bürgermeister Michael Ludwig zum Abschluss des Maiaufmarsches am Staatsfeiertag. Dieser fand am Sonntag zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder am Wiener Rathausplatz statt.

Knapp 10.000 Teilnehmer haben sich laut SPÖ am rathausplatz eingefunden. Wie in der Vergangenheit waren Bezirksdelegationen, Teilorganisationen und Gewerkschaften mit Transparenten und begleitet von Musikkapellen und Trommlergruppen am Rathausplatz zur “größten politischen Kundgebung Österreichs” marschiert, wie Ludwig unterstrich. Er begrüßte Rendi-Wagner mit großer Freundlichkeit: “Du merkst es, ich glaub ich muss es nicht extra betonen, wir, die SPÖ Wien, stehen voll hinter dir.”

SPÖ an Regierung: "Wenn ihr es nicht könnt, lasst es uns machen!"

Rendi-Wagner und Ludwig stellten in der Folge den Führungsanspruch für die SPÖ in der Republik und präsentierten sich in trauter Einigkeit. Auch Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl sah die Sozialdemokratie im Aufwind: “Ja, wir sind wieder da. Freundschaft!”

In ihrer Rede attestierte Rendi-Wagner der türkis-grünen Bundesregierung Taten- und Planlosigkeit, sei es beim Pandemiemanagement oder bei der Teuerung. Es sei eine “Koalition des Stillstands, des Schweigens und der flotten Sprüche”, kritisierte sie nicht zuletzt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der der SPÖ unterstellt habe, bei der Teuerung Hysterie zu betreiben. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) ordnete sie als Masseverwalter des Scherbenhaufens ein, den Sebastian Kurz als Regierungschef zurückgelassen habe.

“Es ist an der Zeit, unserem Land wieder eine andere Richtung zu geben”, sagte die SPÖ-Chefin, denn man sehe an Wien, dass es einen Unterschied mache, wer das Land regiere. “Wenn ihr es nicht könnt, dann lasst es wenigstens uns machen, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten”, stellte Rendi-Wagner für die SPÖ den Führungsanspruch. Die fünf Jahre in der Opposition seien fünf verlorene Jahre für Österreich gewesen, “und das tut sehr weh”.

Rote Harmonie unterm Regenschirm

Die Harmonie zwischen Bundes- und Wiener Landespartei demonstrierte die SPÖ-Spitze nicht nur in Worten, sondern auch in Taten: Kaum hatte Rendi-Wagner das Wort ergriffen, setzte Regen ein. Ludwig griff daraufhin zu einem Regenschirm (im zweiten Anlauf sogar zu einem in der Farbe Rot) und schützte die Bundesparteichefin für den rest ihrer Rede vor dem Niederschlag. “Jetzt kann mir wirklich nichts passieren”, freute sich Rendi-Wagner: “Der Bürgermeister Seite an Seite mit mir, was gibt es schöneres?”

Man stehe vor großen Herausforderungen, die man nur gemeinsam meistern könne. “Ich bin sicher, dass in unserem Land vieles besser wird, wenn unsere Bundesparteivorsitzende nicht nur an der Spitze unserer Bewegung, sondern an der Spitze der Republik Österreich steht”, sagte er.

Ludwig preist Wien als "Vorbild sozialer Politik", Rendi pocht auf 0%-Mehrwertsteuer

In seinen Ausführungen pries der Bürgermeister die SP-regierte Bundeshauptstadt als Vorbild sozialer Politik; von den Corona-Maßnahmen, dem Ausbau des Gesundheits- und Pflegesektors, die Schulen, den Wohnbau bis zum Verkehr, wo man beim Preis von 365 Euro für das Öffi-Jahresticket bleiben werde.

Rendi-Wagner verlangte einmal mehr die Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, weniger Steuern auf Strom, Gas und Treibstoff, eine Senkung der Lohnsteuer sowie eine Erhöhung von Arbeitslosengeld und Pensionen. Auch Steuern für Millionenvermögen und Milliardenkonzerne verlangte sie.